Drama, Baby!

von Katharina Eigner


Wer kennt es nicht: diese eine Szene steht auf der To-Do-Liste und will geschrieben werden. Spannungsgeladen, dramatisch und hautnah am Geschehen. Wir sollten in die Psyche eines Killers eintauchen oder wie sein Opfer panisch nach Hilfe schreiend durch die Nacht stolpern.
Uns eng an eine Mauer gepresst und flach atmend vor dem Sondereinsatzkommando verstecken oder beim Kratzen des Einbrechers am Türschloss erstarren. Und die Natur? Bringt uns mit Vogelgezwitscher und bunten Blüten aus dem Tritt.

AutorInnen brauchen Emotionen, und zwar schnell. Manchmal, mit dem Abgabetermin im Nacken, quasi auf Knopfdruck. Das Versinken im Gefühlsstrudel gehört zu unserem Geschäft, ebenso wie das rechtzeitige Auftauchen, um konzentriert weiterarbeiten zu können.

Stimmungen punktgenau abrufen funktioniert nicht immer, aber man kann es trainieren oder – wenn der Puls eine höhere Frequenz verweigert – zu Hilfsmitteln greifen.
Musik, zum Beispiel. Ursula Poznanski hat eine eigene Thriller-Playlist, von der sie sich beim Schreiben tragen lässt. Patricia Highsmith hat für ihren talentierten Mr. Ripley sogar ihr idyllisches Cottage aufgegeben. Laut eigenen Aussagen brauchte sie das fahrige Gefühl und die ständige Angst, erwischt zu werden wie ihr Romanheld. Stuhlkante statt Ohrensessel. Rosenumrankte Pilcher-Glückseligkeit war da eher kontraproduktiv.
Den Wohnort dem Manuskript anzupassen ist wohl die Crème de la crème des Schreiballtags. Wesentlich günstiger: Spannung aus der Dose. Filmmusik ist der am einfachsten portionierbare Sattmacher, wenn es um Gefühlshunger geht. Und ich rede hier nicht von James Last plus Orchester bei Doktor Schiwago oder einer epischen Adele für James Bond. Manchmal ist weniger mehr.
Beim Weißen Hai haben zwei Töne gereicht, um das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Für die Duschszene in Psycho war es sogar nur ein einziger.

Per Filmmusik in Stimmungen einzutauchen ist vergleichbar mit Power-Napping: die eigenen Energiespeicher in kurzer Zeit mit Spannung füllen. Allem Zwitschern zum Trotz.