Auftragskiller-Blues

von Katharina Eigner

Die neue Triade der Zeitrechnung: ante (vor) Corona, cum (mit) Corona und post (nach) Corona.

Cum Corona hat uns fest im Griff, die Post-Corona-Phase ist so greifbar wie Donald Trump bescheiden.

Stellen sich also für AutorInnen der Spannungsliteratur die berechtigten Fragen: Kann ich plotten wie bisher? Morden und ermitteln meine Figuren unbehelligt vor sich hin, als wäre nichts gewesen?

Ich für meinen Teil habe das Virus dabei erwischt, wie es sich unerlaubt am Fahrplan für meinen neuen Thriller zu schaffen gemacht hat.

Meine toughe Protagonistin, ihres Zeichens sympathische Auftragskillerin, hat mit handfesten Corona-Problemen zu kämpfen: Ausgangssperren, hohe Polizeipräsenz auf den Straßen und geschlossene Gastronomiebetriebe durchkreuzen wohldurchdachte, todsichere Strategien. Manch altbewährte Methode fällt flach in der Phase cum Corona. Momentan ist nichts, wie es war.

Je nach Alter, Ausbildung und Gelegenheit müssen also furchtlose MörderInnen und auch wir, als ihre Schöpferinnen, etwas tiefer in die Trickkiste greifen, denn: Unbemerkt eine Phiole Gift ins Nachbarglas an der Bar schütten? Fehlanzeige, Bar geschlossen! Auftragsmorde im Ausland, womöglich noch an Termine gebunden? Sinnlos, bei zwei Stunden Grenzwartezeit! Schnell mal am Vormittag dem Tod unter die Arme greifen? Wie denn, mit drei Kindern im Homeschooling!

Überhaupt erschweren die lieben Kleinen zu Hause den Berufsalltag massiv. Für meine Auftragskillerin heißt das konkret: Buntstifte spitzen statt Messer wetzen, Geographie abfragen statt Fluchtweg planen, Druckerpatronen wechseln statt Bomben basteln. Die Auftragsbücher meiner Protagonistin sind übervoll, die Gelegenheiten zur Ausführung rar. Abends, nach Homeschooling, Bespaßung des Nachwuchses, Masken nähen und Haushalt, ist der Akku leer und die ansonsten motivierte Mörderin todmüde. In Folge: Bestellungen stapeln sich, verlängerte Lebenszeit für die Opfer, unzufriedene Auftraggeber. Chaos im Terminkalender der Sensenfrau. Ende ihrer Karriere. Wieder trifft es uns Frauen volle Breitseite, denn: Kinderbetreuungszeiten werden im Gewerbe der Voll- und Teilzeitkiller wohl nicht berücksichtigt, geschweige denn angerechnet. Take it or leave it. Wer nicht liefern kann, fliegt.

Auf der anderen Seite des Gesetzes ist die leitende Kriminalbeamtin wiederum in Kurzarbeit, weil die Verbrechens-Statistiken fallen wie der Ölpreis und es nicht genug zu tun gibt. Selbst lukrative italienische Familienunternehmen satteln um: Desinfektionsmittel sind das neue Gold, Schutzgeld war gestern. Erpressungen sind derzeit nicht rentabel. Alles anders eben.

Wenn also sogar Camorra & Co ums Überleben kämpfen: Ist das Verbrechen am Ende? Alle Macht dem Virus? Nein!

Gestorben wird immer, nachgeholfen auch. Und gelesen. Flexibilität ist angesagt. Den Tod mit neuen Ideen beliefern. Schreiben. Tüfteln. Netzwerken. Spannung ist unser Business. Denn wir sind die Mörderischen Schwestern.