Die forensische Palynologie - so unbekannt wie überzeugend

von Rosemarie Benke-Bursian


Zur Inspiration für diejenigen, die ihre Krimis gerne mit realistischen Details würzen, stelle ich heute eine eher unbekannte und nicht sehr verbreitete, aber bei genauerem Hinsehen doch sehr spannende forensische Technik vor: die forensische Palynologie (Pollenkunde).

Und wer hat's "(er)gefunden"?
Die Österreicher!

Was versteht man unter Pollenanalyse und wann wurde sie entdeckt?

Der erste Fall, der mit Hilfe von Pollenanalyse gelöst wurde, ereignete sich bereits 1956. Danach geriet diese Wissenschaft aber erst mal wieder in Vergessenheit. Obwohl es inzwischen Europa-weit einzelne Wissenschaftler gab, die sich damit beschäftigten.

Was macht die Palynologie für die Kriminaltechnik so interessant?

1) Pollen ist sehr stabil und langlebig. Auch wenn Bakterien und Pilze auch ihm irgendwann den Garaus machen so dauert doch auch das seine Zeit. Bis heute kennt man übrigens nicht zu 100% die Zusammensetzung ihrer Hülle. Selbst Feuer können sie überstehen und so fand man intakten Pollen auch schon im Haar von verkohlten Leichen.

2) Pollen ist überall, selbst in Wohnungen. Auf der anderen Seite hat jede Umgebung ihr ureigenes Pollenprofil (für eine Analyse werden mitunter 300 Pollen ausgezählt). Mit anderen Worten: Eine Wohnung lässt sich allein aufgrund ihres spezifischen Pollenprofils identifizieren. Und selbst auf Heuwiesen unterscheidet sich das Profil alle paar Meter deutlich voneinander.
Ob also jemand am Wegesrand stehen geblieben ist oder doch 5 Meter weiter am Tatort war, lässt sich allein aufgrund der Pollenanalyse an der Kleidung feststellen (wo auf jeden Fall genügend Pollen zu finden sind). Und auch so wurden schon Täter überführt.
Ein Pollenprofil ist also sowohl örtlich - aber natürlich auch zeitlich - höchst präzise.

3) Pollen wird auch eingeatmet und dann über den Darm wieder ausgeschieden, was man sich forensisch zunutze machen kann, denn der eingeatmete Pollen bleibt etwa 40-50 Minuten am Siebbein (Knochen zwischen Nasen- und Schädelhöhle) hängen, bevor er abtransportiert wird. Heißt: Bei einem Toten lässt sich mit Hilfe des Siebbeinpollens feststellen, wo er sich innerhalb der letzten 40-50 Minuten aufgehalten hat.
Der Nahrungsprozess über den Darm dauert etwa 1-3 Tage. Das heißt, das Pollenprofil aus dem Darm gibt Auskunft über den Aufenthalt des Toten während der letzten 1-3 Tage. Das führte übrigens auch beim Ötzi zu ganz neuen Erkenntnissen. Was wiederum darauf hinweist, dass die Pollenanalyse selbst bei Cold Cases höchst dienlich sein kann.

Die forensische Palynologie wird bisher wenig genutzt

Es gibt in ganz Europa allerdings nur sehr wenige Palynologen - der Beruf ist wenig lukrativ und wird von daher auch wenig gefördert. Die Österreicher - genauer gesagt, die Wiener - sind da noch mit am aktivsten und unterhalten eine ganze Arbeitsgruppe in Sachen forensische Palynologie (allerdings auch mit etwas ungewisser Zukunft). Und das Herbarium auf dem Wiener Campus hält eine Datenbank mit tausendfachem Vergleichsmaterial vor. Auch in Großbritannien und in Neuseeland macht man sich diese Technik zunutze.In der deutschen Polizeiarbeit ist er allerdings bisher nicht integriert. Dazu müsste sich die deutsche Polizei schon Hilfe aus Österreich holen. Dabei ist diese Technik - wer wollte mir da nicht recht geben? - doch eine richtig wertvolle forensische Technik, um Tätern bzw. der Wahrheit auf die Spur zu kommen.


Dr. Rosemarie Benke-Bursian

Schon als Kind galt ihre Liebe der Natur und dem Schreiben. Beides verbindet sie in ihrem heutigen Beruf als Wissenschaftsjournalistin und Autorin von Fachbeiträgen, Sachbüchern, Krimis und Kindergeschichten (sowie als Ghostwriterin).

Sie ist Mitglied bei den Mörderischen Schwesternund dort ehrenamtlich als eine von zwei Pressesprecherinnen tätig.

Mehr über die Autorin auf ihrer Webseite.