Von Sündenfall, Cider und Reichsgurken

von Katharina Eigner

Abgesehen von der Geburt Christi stand am 24. Dezember noch etwas im Terminkalender: Evas Namenstag!

Gemäß den drei Ws (Was wäre, wenn…?), die am Anfang jeder Krimi-Ideenentwicklung stehen: Was wäre passiert, wenn die very First Lady nicht genascht hätte?

Ganz abgesehen davon, dass sich die Menschheit nie und nimmer Namen wie Topaz, Idared oder Kronprinz Rudolf für das vitaminreiche Kernobstgewächs ausgedacht hätte; wo wären wir heute, hätte Eva die verbotene Frucht brav und gehorsam für immer von ihrem Speiseplan gestrichen?

Adam und Eva wären vermutlich nie in den Genuss eines wohlduftenden Apfelstreuselkuchens gekommen oder hätten nie bei einem Gläschen Cider zusammengesessen. Skihütten könnten – in einer Lockdown-freien Zukunft – keinen Kaiserschmarren mit Apfelmus anbieten. Ewig schade. Die österreichischen Kaffeehäuser wären um eine Nationalspeise ärmer – den Apfelstrudel. Undenkbar.

Unbestritten hat Evas Neugier Spuren hinterlassen, nicht nur in der Kulinarik. Gekrönte Häupter von einst und jetzt verdanken ihr ein unverzichtbares Attribut. Denn, Hand aufs Herz, Königin Elisabeth von England wäre nicht halb so majestätisch anzusehen mit einer Reichsgurke, oder? Vom großen, fruchtigen Spitznamen einer US-amerikanische Metropole einmal abgesehen; und Steve Jobs hätte wohl Kürbis oder Paprika für sein Logo wählen müssen, hätte sich Eva nicht über Gottes Hausordnung hinweggesetzt.

Eva war also, und diesen Gedanken finde ich knackig wie eine frisch gepflückte Pink Lady, keine Sünderin, sondern eine Pionierin! Nicht nur in Sachen Ernährung.

Mit ihrem beherzten Griff zum Baum der Erkenntnis hat sie den Grundstein für einen ganzen Wirtschaftszweig gelegt; die Anbaugebiete im Schweizer Wallis, der österreichischen Steiermark und dem deutschen Baden-Württemberg mögen es ihr danken.

Apfelwein, Apfel-Chutney oder Apfel-Chips wären uns fremd, Hundertschaften an Erntehelfern arbeitslos. Wir verbrächten mehr Zeit in Wartezimmern; denn nur one Apple a day keeps the Doctor away.

Allerdings, wird die bibelfeste Leserin jetzt einwenden, war der bahnbrechende Erfolg der Obstverkostung damals nicht absehbar. Eva hat sich damit sogar strafbar gemacht. Und das göttliche Auf-die-Finger-klopfen, das dem Ungehorsam folgte, lässt sich nicht schönreden, Stichwort Wehen und Kreißsaal. Stimmt schon.

Andererseits: hätte Adam sich derartiges getraut? Sein Gaumen begnügte sich mit Kartoffeln, Mais und anderem Gemüse des Garten Eden in Bodennähe, kulinarische Wagnisse standen bei ihm nicht auf dem Plan. Hätte er brav gefastet bis in alle Ewigkeit: Was wäre das Resultat gewesen? Stillstand durch Gehorsam. Nichts gegen Kohlenhydrate und pflanzliches Eiweiß, aber irgendwann ist es eben an der Zeit, zu geschmacklich neuen Ufern aufzubrechen. Eva wusste das.

Sie war also Pionierin, aber auch Gesetzesbrecherin, die gekostet, gewagt und gewonnen hat. Zumindest auf lange Sicht.

Also beim nächsten Mal Äpfel abwiegen im Supermarkt: ein Hoch auf Eva!