Drei Fragen an ... Linda Graze

25.02.2022 – Nicht das Gewohnte abbilden und doch reale Figuren erschaffen ist Linda Grazes Prämisse. Im Interview spricht sie über ihre Krimireihe und das Schreibhandwerk.

In deinen Krimis ermittelt Justin Schmälze im idyllischen Kurort Bad Wildbad. Du überrascht deine Leser*innen mit einer Figur, die authentisch und gleichzeitig auch anders ist als vielleicht erwartet. Wie kamst du auf die Idee?

Meine Hauptfigur Justin Schmälzle ist Haitianer, der von einem badischen Beamtenpaar adoptiert wurde. Er ist Veganer, Sportler und Reismilch-Macchiato-Fan. Ich wollte damit nicht das Gewohnte abbilden und doch eine „echte“ Figur erschaffen. Warum soll ein Schwarzer nicht in einem Provinz-Kurort ermitteln? Ich stoße gerne mal eine Schublade auf, weil ich in der Gattung „Regiokrimi Unterkategorie Cozy Crime“ nicht atmen kann. Zum Glück habe ich einen großartigen Verlag (!), der dies mitträgt. Entsprechend ist bei mir bei allem Humor und aller Cozyness immer ein gesellschaftlicher Hintergrund zu spüren. Oder ein Genrebruch: So geht es im ersten Band um pflanzliche Drogen (Legal oder Herbal Highs), in das jetzige Buch ist eine Art „Historienthriller“ eingebaut, Thema: transgenerationales Trauma. Die nächste Story spielt im Verschwörungsumfeld.

Schauplatz deiner Krimireihe ist, wie gerade erwähnt, der kleine Schwarzwälder Kurort Bad Wildbad. Du selbst lebst aber nicht dort. Wie bist du auf Bad Wildbad gekommen und finden die Verbrechen an realen Schauplätzen statt?

Ich war in der Zeit häufig in Bad Wildbad, das so was wie mein „Herzensstädtchen“ geworden ist, unterwegs. Als wir einmal im Familienkreis im Bannwald herumstromerten, haben wir uns verlaufen – was, kein Netz? – und standen plötzlich im Diebstichweg. Was lag näher als eine Schmugglergeschichte? Daraus entstand der zweite Band der Serie, die Schwarzwälder Morde. Es geht um ein Verbrechen, das Generationen später aufgedeckt und gesühnt wird. Dass dabei das Moorgebiet eine Rolle spielt, klar. Ich kenne nicht viele Orte mit einer derart mystischen Landschaft: wenn sich der Nebel über dem Hohlohsee ausbreitet, tauchen Schatten, Umrisse, Figuren unweigerlich vor einem auf. Im Übrigen existiert auch der sanierungsbedürftige Bungalow des Kommissars (die Hausnummer stimmt natürlich nicht!): Ein Nachbarhaus meiner Ferienwohnung stand jahrelang leer, bis Justin Schmälzle mit seiner Familie in meiner Phantasie dort einzog. Also ja, die Schauplätze sind real, man kann sie abmarschieren.

Von Haus aus bist du Werbetexterin. Kam dir dieser Background beim Schreiben deiner Romane zu Gute?

Die jahrzehntelange Textererfahrung ist in jedem Fall eine wesentliche Grundlage. Ich hatte täglich mit Sprache zu tun, sie ist für mich ein kraftvolles Tool, um eine Geschichte voranzutreiben. Dabei wollte ich von Anfang an einen eigenen Stil schaffen. Dazu gehören knappe, knackige Dialoge. Auch diese habe ich dem Werbetexten zu verdanken: Dabei gilt es ja, viel Inhalt auf wenig Raum unterzubringen – für Wiederholungen und Füllwörter ist kein Platz. So musste ich lernen, dass ein Roman nicht nach 50 Seiten fertig sein kann! Entsprechend habe ich eine Ausbildung bei der Textmanufaktur zur Autorin absolviert. Erst danach wusste ich, was zu tun ist. Ansonsten arbeite ich figurengetrieben. Pure Action ist nicht meins. Der Plot ergibt sich aus den Protagonisten, deren Schrullen ich liebevoll zu zeichnen versuche. Die Geschichte selbst kommt, irgendwann. Dann stehe ich schon mal um fünf Uhr auf und hacke in die Tasten, bis die Story „Pause“ ruft. Und nach der x-ten Überarbeitung (uff) fertig ist.

Zum Autorinnenprofil von Linda Graze.

Homepage: www.lindagraze.de

Die Fragen stellte Sybille Baecker.

Schwarzwälder Morde
Linda Graze
Rowohlt Taschenbuch
978-3-499-00208-3