Bundesverdienstkreuz für Ingrid Noll
von Susanne Rüster

Unsere langjährige Schwester Ingrid Noll aus der Regio Südwest (Rhein-Neckar) ist mit der Verleihung des Verdienstordens am Bande für ihre besonderen Leistungen auf kulturellem, geistigem und ehrenamtlichem Gebiet ausgezeichnet worden. Die Ehrung Ingrid Nolls bedeutet eine verdiente und berührende Anerkennung ihrer Kriminalromane und Geschichten, die durchdrungen sind von Spannung und einem tiefgründigen Verständnis der menschlichen Psyche.
„Deutschlands Krimifans kennen Ingrid Noll vor allem als Autorin packender Romane. Hier in der Region steht ihr Name aber auch für vorbildliches bürgerschaftliches Engagement in Weinheim und der gesamten Region“, betonte die baden-württembergische Ministerin für Forschung, Wissenschaft und Kunst Petra Olschowski bei der Verleihungszeremonie. Über viele Jahre begleitete Ingrid Noll die Grundschultheatertage in Weinheim mit Workshops und Aufführungen. Ihr sei wichtig, bei Kindern Freude am Lesen und am Umgang mit Sprache zu fördern. Auch beim Literaturfestival in Weinheim engagiert sie sich, u.a. mit Lesungen in Polizeiwachen und Gerichtssälen.
Bereits 2002 wurde Ingrid Noll mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
1935 in Shanghai geboren studierte Ingrid Noll in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Nach ihrer Heirat arbeitete sie in der Arztpraxis ihres Mannes mit. Erst nachdem ihre drei Kinder das Haus verlassen hatten, nahm sie den Stift in die Hand. Mit Ende fünfzig begann sie, Kriminalromane mit großer Kenntnis des menschlichen Innenlebens und tiefgründiger Spannung zu schreiben. In über 20 Büchern hat die mittlerweile 89-jährige Schriftstellerin es bewerkstelligt, mit scharfer Beobachtung, unterhaltsamer und treffsicherer Ausdrucksweise, kriminellem Witz ihre Leser und Leserinnen, aber auch Kritiker und Kritikerinnen zu begeistern, und wurde so zu einer der bekanntesten und beliebtesten Kriminalautorinnen Deutschlands.
Im Mittelpunkt ihrer Werke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, stehen Frauen verschiedenen Alters, die sich nicht beachtet, benachteiligt, betrogen fühlen und sich auf unkonventionelle Weise ihrer langweiligen Ehemänner und undankbaren Liebhaber entledigen. Ermordet und gestorben wird vor allem im Rhein-Neckar-Raum, ihrer Heimat, wobei aber kaum Blut fließt. Ingrid Noll verabscheut die Darstellung von Gewalt.
Zu ihren bekanntesten Kriminalromanen gehören ihr Erstling „Der Hahn ist tot“ (1991), „Die Apothekerin“ (1994, verfilmt u.a. mit Katja Riemann), „Die Häupter meiner Lieben“ (1993, verfilmt u.a. mit Heike Makatsch) und ausgezeichnet in 1994 mit dem Glauser-Preis des SYNDIKATS. Ingrid Noll erhielt zudem 2005 vom SYNDIKAT den „Ehren-Glauser“.
Mit den Werken der Kriminalschriftstellerin Ingrid Noll entdeckte ich in den 1990er Jahren die deutschsprachige Kriminalliteratur. Verblüfft, amüsiert und zugleich erschüttert verfolgte ich, was diese Autorin sich traut, wie sie eindringt in die psychische (Un)tiefe ihrer Protagonistinnen - Stich für Stich, Hieb für Hieb. So wie sie in ihrem Debütroman „Der Hahn ist tot“ ihre Ich-Erzählerin Rosi, eine sich benachteiligt fühlende Zweiundfünfzigjährige, von Mord zu Mord marschieren lässt, um sich den Mann ihrer Träume zu erschlagen, nachdem die Liebe sie getroffen hat „wie ein Hexenschuss“.
Ich fühlte mit, fieberte mit und war überwältigt von der umfassenden Wortgewandtheit, der herrlichen Ironie und dem treffenden Witz der Autorin.
Im Alter von 88 Jahren veröffentlichte die Schriftstellerin Ingrid Noll den Roman „Gruß aus der Küche.“ Und beweist, dass es nie zu spät ist, seine Leidenschaft zu finden und energisch zu verfolgen.