Von Verschränkungen, Gehirnhälften und zu viel Rechts

von Katharina Eigner

Verschränken Sie bitte Ihre Hände ineinander. Ob dabei der linke oder rechte Daumen obenauf liegt, ist unwesentlich. Eher Gewohnheitssache. Lösen Sie jetzt bitte Ihre Finger und verschränken sie andersherum, entgegen Ihrer Gewohnheit. Fühlt sich anders an?

Das ist gut. Und gleichzeitig der Einstieg in diese Kolumne.

Kinesiologie und das (medizinisch fundierte!) Wissen, Stress und Energieblockaden zu begegnen, faszinieren mich seit Jahren. Vielleicht, weil ich seit frühester Kindheit mit extremen Rechten konfrontiert bin. Ich rede nicht von Hakenkreuz-Tattoos und brauner Gesinnung, sondern von jenen ewig Gestrigen, die LinkshänderInnen – Leute wie mich - für Gottes zweite Garnitur halten. Ich rede von Kindergärtnerinnen, die meine linke Hand an den Sessel banden und mich (in den Achtziger Jahren!) aufforderten, mit der „schönen Hand“ zu schreiben. Von empathielosen Handarbeitslehrerinnen, die mein „Andersrum“ aus dem Häkel-Konzept brachte. Radikale RechtshänderInnen, allesamt.

Die Schönschreib- und Häkelübungen habe ich hinter mir, die extremen Rechten nicht. Es gibt sie immer noch. Viel zu viele davon. Sie mischen sich unters Krimivolk. Und sie wissen nicht, was sie tun. So wie neulich.

Normalerweise liebe ich das Signieren und Plaudern nach meinen Lesungen. Die Atmosphäre ist locker und ungezwungen. Allerdings: von der Lockerheit bis zur Unhöflichkeit ist es nur ein kleiner Schritt, Ungeübte stolpern da ganz schnell und landen im Fettnäpfchen. Zum Beispiel die Leserin, die mich fasziniert beobachtet, als ich die bestellte Widmung schreibe.

Sie starrt auf meine Hand und schlussfolgert: „Sie sind Linkshänderin?“

Ich nicke und schreibe weiter, was erstens ihre Erwartungen übersteigt und sie zweitens vollends aus dem Gleis wirft.

„Und da haben Sie DIESES Buch geschrieben??“

Ich lege den Stift beiseite. Kurze peinliche Stille im Raum. Ist das Wissen um die Funktionsfähigeit der linken Hand noch nicht überall durchgesickert? Traut man meiner Spezies nicht zu, Sätze in Schriftform aneinander zu reihen? Hätte ich ein anderes Buch schreiben sollen? Und wenn ja, welches?

Das Trampeltier vor mir bemerkt den verbalen Fehltritt nicht. Die Buchhändlerin schaut irritiert, ein paar Wartende schütteln fassungslos des Kopf. Ich widerstehe der Versuchung, das lausige Benehmen der Leserin unter der Widmung zu kommentieren. Verschränke unter der Tischplatte kurz meine Finger, um Stress abzubauen.

„Ja, dieses Buch habe ich geschrieben“, sage ich, „und zwar ganz alleine!“

Etwas geht in meinem Gegenüber vor. Lösen sich etwa gerade ein paar Blockaden?

„Mit der linken Hand ein Buch schreiben“, sagt das Trampeltier ehrfürchtig, „DAS könnte ich nicht.“

Und diesmal sind wir sogar einer Meinung. Ich lächle treuherzig. „Davon bin ich überzeugt.“