Von Sitzplätzen, Mode und der Queen of Crime

von Katharina Eigner

Am achten März beendete ich endlich die Lektüre von Agatha Christies Biografie. Ich hatte das Datum nicht absichtlich gewählt, fand es aber eine passende Hommage an mein Idol. Abgesehen davon hatte der heurige Weltfrauentag zwei Ereignisse für mich parat, die unterschiedlicher nicht sein können.

Ereignis Nr. 1 ist aus dem Alltag meiner besten Freundin (Volksschullehrerin). Zu Wochenbeginn änderte sie - per Los - den Sitzplan ihrer Klasse.

So ein unfreiwilliger Platzwechsel ist nicht als Schikane, sondern als Chance gedacht: Neue NachbarInnen, neues Glück. Naturgemäß erwischen nicht alle den Hauptgewinn, sprich NachbarIn der Träume, aber Kinder sind flexibel und meistern diese Herausforderung meist problemlos. Manche Eltern leider nicht. Der Anruf von Mutter XY bei meiner Freundin war also erwartbar. Sie jammerte ins Telefon, beklagte das Leid ihrer Tochter und gab dem neuen Gefährten die Schuld an (fast) allem Übel dieser Welt. Als meine Freundin ihr Vorgehen verteidigte, drohte Mutter XY mit Konsequenzen. So weit, so schlecht.

Ereignis Nr. 2 war eine Lesung, die ich am Abend des 8. März besuchte. Daniela Larcher alias Alex Beer las aus ihrem Buch „Unter Wölfen“. Ein preisgekrönter Krimi, angesiedelt in Nürnberg im Jahr 1942. Und obwohl die Protagonistenrolle mit dem Juden Isaak Rubinstein männlich besetzt ist, rückten an diesem Abend Frauenfiguren in den Vordergrund. Drei Schülerinnen der Modeschule Hallein hatten, im Rahmen ihrer Abschlussarbeit, Kleidung im Stil der Vierziger-Jahre entworfen und sie den Heldinnen des Buches auf den imaginären Leib geschneidert. Mode, die Aufschluss über Alltag, Gesellschaftsschicht und Vorlieben der Trägerinnen gibt, sie real werden lässt und an diesem Abend Isaak Rubinstein ganz klar die Show stahl. Publikum und Autorin waren begeistert vom Schaffen der drei jungen Frauen, die Veranstaltung ein echter Erfolg.

Auf dem Nachhauseweg ließ ich den Tag Revue passieren, die Frauen „meines“ 8. März als gedankliche Passagiere im Auto. Mutter XY schnatterte auf dem Beifahrersitz endlos über Ungerechtigkeit im Schulalltag und die zarte Seele ihrer Tochter. Die drei Schülerinnen am Rücksitz dagegen arbeiteten still und konzentriert an ihren Modeskizzen. Ich dachte nach und begriff, dass es in beiden Fällen um Sichtbarkeit ging. Kurzfristig mag Mutter XY die Aufmerksamkeit auf ihre Tochter lenken, vielleicht sogar das zähe Ringen um die besten Plätze für sich entscheiden. Lang- und mittelfristig tut sie ihrer Tochter keinen Gefallen damit, sie vor aller Unbill abzuschirmen. Mädchen unter der Glasglocke müssen sich nie behaupten, wachsen nicht über sich hinaus. Ein Schritt, den die drei jungen Frauen längst hinter sich haben: der Weg von der Idee „Mode zum Krimi“ bis zur Präsentation war zwar lang und alles andere als einfach. Sie sind ihn trotzdem gegangen, haben ihre Schneiderkunst unter Beweis gestellt, Romanfiguren zum Leben erweckt und damit sogar deren Schöpferin beeindruckt. Womit wir wieder bei Agatha Christie wären: The secret of getting ahead is getting started!