Von Lackstiften, Nachthemden und dem Rausch der Gefühle

von Katharina Eigner

 

Ein Land, in dem Kuverts und Excel-Tabellen Wahlen kippen können ist ein guter Nährboden für Kleinkunst und die schreibende Zunft. Satire und Realität liefern sich gerade ein rot-weiß-rotes Kopf-an-Kopf-Rennen, und neuerdings ist nicht einmal mehr auf die Berge Verlass. Die bröckeln ungefragt einfach so, wie es ihnen passt, und machen sich gute einhundert Meter kleiner. Womit neben den Satirikern die Spannungsautoren ins Spiel kommen. Hätte ich nur die Hälfte der Geschehnisse voriger Woche in ein Manuskript verpackt, meine Lektorin hätte es abgelehnt. „Unrealistisch!“

Das Leben in Österreich härtet ab, so viel ist sicher. Weil hier eben nichts mehr sicher ist. Das mag Nicht-ÖsterreicherInnen ängstigen, in Wahrheit steckt ungeahntes Potential in unserer Realität, die morgen schon Lachnummer oder Thriller sein kann. Man muss einfach mit allem rechnen.

Davon konnte ich mich vorige Woche im Krankenhaus überzeugen, als ein dreizehnjähriges Mädchen vor der Operation zum Lackstift griff und ihr rechtes Knie markierte. „Damit mir keiner das falsche Knie aufschneidet!“, erklärte sie, was mich enorm beeindruckte. Ich hatte ihr eher Rebellion gegen das modisch fragliche OP-Nachthemd zugetraut, als die aktuelle Statistik über Kunstfehler abzurufen.

Vielleicht entsteht jetzt der Eindruck, Österreich hätte die Coolness erfunden. Als sei Abgebrühtheit hierzulande überlebensnotwendig. Ist sie nicht, zumindest nicht mehr als anderswo. Ab und zu braucht es auch den Rausch der Gefühle, egal ob man gerade seinen Wahlsieg feiert oder erfolgreich einem Felsbrocken entkommen ist.

Der Verhandlungsspielraum beim Lektorat hat sich jedenfalls massiv vergrößert.