Von Frühling, Kampfsport und Körpersprache
von Katharina Eigner
Frühling! Knospen explodieren, KrimiautorInnen und BaumumarmerInnen erwachen aus dem Winterschlaf und Bärlauchfelder werden leergerupft. Das Grünzeug, dessen Verzehr vor innigen Küssen und Vampirattacken schützt, hat Hochsaison. Ebenso wie Gartenhandschuhe, Gartenmagazine und Gartenmöbel. Der Handel nutzt die Pubertät der Natur schamlos für seine Zwecke, alle Zeichen stehen auf Fortpflanzung. Wirklich alle?
Bildende Kunst und Literatur verwenden den Frühling als Metapher für Liebe und Leben. Statistiken beweisen allerdings das Gegenteil: im pastellgefärbten April und Mai werden mehr Selbstmorde verübt als in grauen Wintermonaten. Liebende, die durch Parkanlangen lustwandeln, können sich lebensbedrohlich auf einsame, traurige Gemüter auswirken.
Das klingt düster? Ich behaupte, ein Blick hinter den zartgrünen Schleier der ersten Jahreszeit lohnt sich, gerade für uns KrimiautorInnen.
Seit diversen Lock-Downs ist Gärtnern ist en Vogue. Aber wer sagt denn, dass sich beim Bau eines Biotops nicht das Angehnehme mit dem Nützlichen verbinden lässt? Schließlich fragt niemand, wer oder was sich unter der sorgfältig verlegten Plane verbirgt, wenn sich erst einmal Seerosen und Erdkröten am Gartenteich angesiedelt haben.
Welches Ziel verfolgen Fitness-Junkies wirlich? Bademode in der nächstkleineren Größe oder die schnelle Flucht zu Fuß nach dem perfekten Mord? Trainiert synchroner Gruppen-Kampfsport in Blumenwiesen den Geist oder doch eher den präzisen Handkanten-Schlag?
Soll das Bärlauchschäumchen an glasierten Karotten einen lieben Menschen überraschen? Oder ist es nur Zeugnis von mangelhaftem Botanik-Wissen und somit eine verpasste Chance aufs Erbe?
Und warum strecken so viele Frauen beim Küssen einen Fuß nach hinten? Feminine Einbeinigkeit, anmutig in Szene gesetzt? Lehnt sich das hormonüberschwemmte Weibchen an sein Gegenüber, um Hilflosigkeit und Vertrauen zu demonstrieren? Oder ist der Grund wesentlich profaner? Theoretisch könnte das Bein auch zum Schwung holen angewinkelt sein, als Vorbereitung für einen präzise ausgeführten Tritt in männliche Kronjuwelen.
Man könnte sagen, Frühling ist Ansichtssache. Manchmal stehen die Zeichen tatsächlich auf Liebe und Fortpflanzung. Aber nur, bis die ersten KrimiautorInnen aus dem Winterschlaf erwachen.