Von der Fastenzeit und anderen Beschwerden
von Katharina Eigner
Reinigung und innere Einkehr. Obwohl gedanklicher Reset und das Ausmisten von Haushalt und Seele gut tun, haben die vierzig Tage Fastenzeit schon lange an Bedeutung für mich verloren. Oder vielmehr: ich brauche das nicht, ich bin zu beschäftigt, um mich dieser Zeit hinzugeben. So der eitle Selbstbetrug. Der aber nicht mehr funktioniert, sobald die motivierte Tochter zur Fasten-Challenge auffordert. „Vierzig Tage kein Nutella!“, verkündete sie pathetisch. Ich war also unter Zugzwang und suchte ich mir umständlich ein ähnlich dramatisches Fasten-Ziel: Alkohol-Verzicht. Nicht, dass ich ein Sucht-Problem hätte, um Himmels Willen. Aber warum nicht der Leber eine Auszeit gönnen und Willensstärke zeigen?
Zwei Wochen lang war alles easy. Meine Tochter schmierte Marmelade auf ihr Frühstücksbrot, ich trank literweise Wasser und Tee. Allerdings: die Regeln schreibt immer noch das Leben selbst und zeigt, wer hier das Sagen hat. Die wahre Challenge begann mit einem Fernsehkrimi, auf den ich mich lange gefreut hatte. Mein Mann gönnte sich ein Glas Rotwein, ich blieb standhaft und klammerte mich an meine Wasserflasche. Statt mir selber leid zu tun, konzentrierte ich mich auf die Handlung des Films. Mit dem Resultat, dass ich nach zwanzig Minuten über Täter und Motiv Bescheid wusste und meiner Familie den Fernsehspaß verdarb. „Mit einem Vierterl Rotwein intus wärst du entspannter“, jammerte mein Mann und schaltete auf eine langweilige Politik-Debatte um.
Die nächste Hürde auf dem Weg zur Abstinenz war der Besuch ungebetener Gäste. Meine Familie ertrug die Hartnäckigen nach dem ersten Glas mühelos, während ich verzweifelt nach den schrumpeligen Weintrauben in der Obstschale schielte. Deren Alkoholgehalt natürlich längst nicht ausreichte, um mich zu beruhigen. Ich verfluchte meine Entscheidung. Im nächsten Jahr würde ich auf Tiefseetauchen, Klippenspringen oder ähnlich Hirnrissiges verzichten.
Ich habe meine Tochter übrigens dabei ertappt, wie sie kakaohaltige Fettmasse auf ihrem Frühstücksbrot verschmierte. „Kein Nutella!“, lautete die verbale Gegenwehr, als sie sich beobachtet fühlte „nur die Billig-Version vom Diskonter!“
Ich war erleichtert und erkannte: Verzicht macht erfinderisch. Wenigstens das mit der inneren Einkehr hatte ich also geschafft. In spätestens zwei Wochen sollte der Gärprozess der Weintrauben übrigens beendet sein. Der nächste Fernsehkrimi kann kommen!