Vom Entspannen und Zeittotschlagen

von Katharina Eigner

Krimischreiben und Handarbeiten haben überraschend viel gemeinsam. Das Verfassen von Krimis wird oft als „Beschäftigungstherapie“ abgetan, und an manchen Methoden der Textilverarbeitung haftet ein falsches Image. Ist Häkeln, beispielsweise, wirklich ein harmloser Hausfrauen-Breitensport?  Oder doch eher ein Maschen-Mantra mit hohem Sucht- und Gefahrenpotential? Ich weiß, wovon ich rede.

Wollknäuel und die gebogene Nadel machten mich schon im Volksschulalter aggressiv, was aber nicht an meinem Wesen lag, sondern an meiner empathiebefreiten Handarbeitslehrerin. Sie war mit meiner Linkshändigkeit überfordert, und ich plumpste ungebremst in ihre pädagogische Wissenlücke. „Links häkeln kann ich dir nicht beibringen“, sagte sie knapp, „aber den Topflappen musst du trotzdem machen.“ Das WIE zählte nicht. Nach heißen Tränen der Wut gab ich die Werkstücke bei meiner Oma in Auftrag und lieferte in Folge 1a-Ware ab. Was den Gerechtigkeitssinn meiner Handarbeitsleherein verletzte; vielleicht hätte sie mein Scheitern als Revange für meine dreiste Linkshändigkeit gefeiert. Kein Wunder, dass ich nie in den Olymp ihrer Lieblingsschülerinnen aufstieg. Kein Wunder, dass ich nie freiwillig zu Wolle und Nadel griff.

Jahre später lehrte mich eine Freundin die hohe Kunst des Häkelns. Ohne Links-Rechts-Probleme, dafür mit einem Geduldsfaden von hier bis in die Mongolei. Und zur Entspannung, wie sie mir versicherte. Wolle, Nadel und ich versöhnten uns. Um mir die optimale Technik anzueignen, beobachtete ich alle Häkelbegeisterten in meiner Umgebung genau: Mimik, Armbewegungen und Fingerhaltung. Und stellte fest, dass Handarbeiten seelisch in die Tiefe gehen kann. Dass in jedes Projekt ein Stück Persönlichkeit eingearbeitet wird. Wie beim Schreiben. Der Umgang mit Wolle und Nadel spiegelt Emotionen und Eigenschaften wider: wütendes Häkel-Staccato oder unsicheres Schweißfinger-Gezerre, phlegmatisches Maschen-Fallenlassen oder pathologisches Nachzählen, vorweihnachtliche Last-Minute-Hektik oder Abarbeiten aller Nummern im Häkelheft. Ich sah Süchtige mit stierem Blick und verkrampften Schultern ebenso wie Geschäftstüchtige mit Auftragsblock und Businessplan. Gruppendruck in Workshops, echtes Fachwissen und pure Angeberei. Ich lernte, dass Grannysquares eine andere Lebenseinstellung verlangen als Filet-Spitzen. Und dass Häkeln ebenso zur Entspannung taugt wie Krimischreiben zum Zeittotschlagen.