God save the queen!

von Katharina Eigner

London Bridge is down. Die Queen ist nicht mehr, und obwohl der Ärmelkanal, mehr als fünf Jahrzehnte und – nicht zu vergessen – gesellschaftliche Welten zwischen Her Majesty Elizabeth II und mir lagen, weiß ich schon jetzt: Sie wird mir fehlen.

Als Englischlehrerkind liebte ich Postman Pat, den freundlichen Briefträger und Held britischer Vorschulkinder, und seine schwarzweiße Katze. Auf dem leuchtendroten Lieferwagen des Zeichentrick-Postlers prangten die Lettern E und R unter einer stilisierten Krone. Für mich vierjährige Analphabetin war klar: Dieses Auto gehört der Queen.

Einer freundlichen, großzügigen Frau, so stellte ich mir vor, die Autos an ebenso freundliche Postler verleiht und ihnen erlaubt, damit durch englische Dörfer zu düsen. Die unkomplizierte Dame, die zig rote Kleinbusse besitzt, in Hunter Boots mit ihren Corgis durchs schottische Hügelland stiefelt und so nebenbei Großbritannien regiert, war für mich in Stein gemeißelt. Und kein Foto von einer glamourösen Queen Elizabeth mit Robe und Diadem, kein Video von der winkenden Königsfamilie am Balkon des Buckingham Palace und schon gar keine Negativschlagzeile konnte daran rütteln.

Als Teenager lernte ich bei einem Schüleraustausch in Schottland, wie man Shortbread zubereitet, und war unendlich stolz. Denn ich wusste: Die Queen serviert Gästen, die sie besonders schätzt, eine Tasse Tee mit Milch. Und dazu: Shortbread, das wahrscheinlich simpelste Gebäck der Welt. Zu wissen, was die berühmteste Königin dieser Erde gerne knabbert, fühlte sich beruhigend und zugleich nach einem Privileg an.

Ich fühlte mich der Queen irgendwie… verbunden. Klingt komisch, ich weiß, aber: Liegt nicht genau in all dieser Einfachheit die Faszination? Sind es nicht die Parallelen zu unserem eigenen Leben, die wir bei großen Persönlichkeiten suchen, und die – wenn wir sie gefunden haben – die Sympathiewerte nach oben jagen?

Zugegeben, ich kaufe meine Gummistiefel im Baumarkt und finde Beagles hübscher als Corgis. Und, wie schon erwähnt: Welten zwischen uns. Natürlich weiß ich, dass Elizabeth eine Heerschar von Nannys für ihre Kinder hatte. Auch die Jausenbrote für die Schule hat vermutlich jemand anderer geschmiert. Trotzdem war sie – auf das Wesentliche heruntergebrochen – eine working mum von vier Kindern. Also viermal schlechtes Gewissen, weil man vielleicht gerade auf Staatsbesuch war, als das Kind Radfahren lernte. Oder die Hauptrolle im Schultheaterstück spielte. Wie Millionen Frauen auf dieser Welt hat Elizabeth versucht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sicher, sie hatte mehr und buntere Hüte als die meisten von uns, aber das Grundproblem war dasselbe: Schreibtisch statt Spielplatz, Arbeitsessen statt Familienfilm. Laut ihrem Sohn Charles lief Elizabeth kurz vor ihrer Krönung mit der Edwards-Krone dem Kopf zu Hause herum und las sogar ihren Kindern damit Gute-Nacht-Geschichten vor. Nicht aus Eitelkeit oder Vorfreude, sondern um zu üben, zwei Kilo edles Geschmeide auf dem Kopf zu tragen. „Never complain!“ war ihr Grundsatz. Nicht über das Gewicht der Krone klagen, sondern lernen, damit zurechtzukommen.

Weitere Parallelen (neben dem Balanceakt zwischen Vollzeitberuf und Familie): Humor und Krimis. Queen Elizabeth II ist in ihrem Leben mehr Polizei, Geheimdiensten und womöglich auch Attentätern begegnet, als ich es mir je für meine Krimis ausdenken könnte. Nichts, worum ich sie beneide. Aber von ihrem trockenen Humor und dem britischen Understatement (die Queen am Staatsbankett zum Tischnachbarn, dessen Handy klingelt: „Gehen Sie ruhig ran, es könnte jemand Wichtiges sein!“) hätte ich mir gern eine Scheibe abgeschnitten. Sie hat Agatha Christie in den Adelsstand erhoben, sämtliche Bond-Darsteller erlebt und liebte Sendungen wie „Midsomer Murders“. Sie war das Bindeglied zwischen Pomp und Gummistiefeln, Popstars und Bärenfellmützen und – in meinem Fall – zwischen Postman Pat und dem Krimi.

London Bridge is down. James Bond’s Chefin, die berühmteste working mum der Welt, ist nicht mehr.