Von Musen, Krümeln und Zuckerwürfeln

Die Großen Literaten schreiben im Café. Joanne K. Rowlings Zauberlehrling wurde am wackeligen Marmortischchen entworfen; der Erfolg spricht für sich. Wiens Café Hawelka gilt als zweites Wohnzimmer der Literaturgranden, und Ursula Poznanski liebt den Cappuccino im Salzburger Café Bazar. So eine kleine Flüsterei der Kaffeehausmuse wäre hilfreich, denke ich.

Vielleicht versetzen mich zischende Espressomaschinen, klappernde Löffel und grantige Kellner in einen Buchstabenrausch?

Vom Homeoffice und der Aussicht auf Nachbars Apfelbäume habe ich ohnehin genug, außerdem sind die Kaffeehäuser wieder geöffnet. Dem Projekt „Schreiben mit überteuertem Heißgetränk“ steht also nichts mehr im Weg.

Diesmal werde ich, während meine Tochter im Training ist, nicht mit Buch und Coffee-to-go im Salzburger Mirabellgarten herumlungern. Nein, ich werde als ernstzunehmende Autorin IPad und Tastatur auspacken und am Kaffeehaustisch arbeiten. Stelle ich mir vor.

Ich betrete also das Café meiner Schreibträume und wähle ein Tischchen im Eck. Runde, marmorne Glückseligkeit mit Aussicht auf die Salzach. Herrlich.

Dass mir der Kellner „Earl Grey“ statt Kräutertee serviert, nehme ich ihm nicht übel. Kann passieren. Und auch die kreischenden Teenager, die sich neben mir niedergelassen haben und mit Flirttipps überbieten, stören mich nicht. Wirklich nicht. Leicht irritiert bin ich jedoch über die Touristin, die ans Fenster klopft und winkt. Dass sie nur auf das Papier meiner Zuckerwürfel aus ist, begreife ich erst spät und überlasse ihr die kleine Kostbarkeit. Erst jetzt sei ihre Sammlung komplett, flötet sie und zeigt mir unaufgefordert gefühlte dreitausend Fotos von eingewickelten Zuckerstücken aus allen Kaffeehäusern der Welt.

Als sie endlich weg ist und die Teenager in ihre Smartphones texten, steige ich auf Espresso um und atme tief durch. So, jetzt wird aber gearbeitet.

„Na, wer ist denn da noch so fleißig, so spät am Nachmittag?“ Der Mittsiebziger am Nebentisch grinst anzüglich und hebt die Augenbrauen.

„Ich“, sagte ich bemüht unfreundlich, um all seine Hoffnungen im Keim zu ersticken.

Aber der kontaktfreudige Kuchenesser und seine schlecht sitzenden Zähne nehmen die Herausforderung an: Das hemmungslose Balzen beginnt.

Ich flüchte, ohne überhaupt am Espresso genippt zu haben. Aber den macht meine De Longhi daheim mindestens ebenso gut. Und außerdem kann ich dann beim Schreiben auf Apfelbäume schauen.