Von Supermüttern und Zeugnisnoten
von Katharina Eigner
Sie sind unter uns. Auf Schulveranstaltungen, in Ordinationen und Impf-Warteschlagen. Und es gab sie schon Jahrzehnte vor Tracking-Apps und Elternabenden: Supermütter.
Sie haben alles im Griff und halten nicht hinterm Berg damit. Ihr Wahlspruch lautet: Tue Gutes und rede darüber. Supermütter bevorzugen übrigens den Plural. WIR bekommen Zähne, WIR werden beim Völkerballspielen immer abgeschossen, WIR haben ein gutes Zeugnis bekommen, obwohl UNS der Lehrer nicht leiden kann.
Ich selbst bin weit entfernt vom Perfektions-Plural, trotz dreifacher Mutterschaft. Oder vielleicht gerade deswegen.
Fest steht: Auch Supermütter (und –väter!) meinen es gut mit ihren Kindern. Aber gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Und die inszenierte Perfektion währt äußerst kurz. Denn der Nachwuchs lässt sich nur wenige Jahre zu Seitenscheitel, Pullunder, schulischen Höchstleistungen und durchgetakteter Freizeit zwingen. Zwang und Aufmerksamkeits-Overload rächen sich schlimmstenfalls:Die Brut begehrt auf, verlässt den geebneten Weg und gerät auf die schiefe Bahn. Was im Idealfall Zündstoff für uns Krimiautorinnen liefert.
Supermütter, die nicht loslassen, kommen spätestens bei der ersten Strafanzeige des Ablegers in sprachlichen Notstand. Wenn Cannabis gezüchtet, geerntet und damit gedealt wurde, ist das WIR plötzlich unpassend. Und imageschädigend. Von weiteren Gesetzesübertritten ganz zu schweigen.
Was also tun Supermütter, wenn beim Nachwuchs kriminelle Energien auftauchen wie Pythons aus österreichischen Klomuscheln? Mitmachen? Vertuschen? Und warum fällt es manchen so schwer, sich von ihren Kindern abzunabeln?
Den erhobenen Zeigefinger maße ich mir nicht an; Psychoanalyse können andere besser.
Ich wünsche mir nur, dass Supermütter und ihre hubschrauberhaften Überwachungssysteme niemals aussterben mögen. Denn sie sind wahre Gewächshäuser für kriminelle Geschichten.