Risiken und Nebenwirkungen
von Katharina Eigner
KrimiautorInnen seien die entspanntesten Menschen der Welt, sagte jüngst die Schöpferin der Steirer-Krimis Claudia Rossbacher. Was der eine teuer dem Therapeuten anvertraut, bringen wir zu Papier. Im besten Fall gewinnbringend.
So weit, so stimmig. Krimis schreiben kann also die Herzfrequenz senken, die Fantasie beflügeln und einigen sogar die Wurst auf dem Butterbrot finanzieren.
Aber, man kennt das, jede noch so gute Medizin hat ihre Tücken. Nämlich Risiken und Nebenwirkungen.
Mir, zum Beispiel, raubt Schreiben den Schlaf, denn gute Ideen sind wie Diven. Sie legen einen großen Auftritt hin und brauchen Publikum. Sofort. Aus Angst, sie für immer zu verlieren, stolpere ich im Halbdunkel aus dem Bett und notiere den neuesten Geistesblitz in Sachen unfreiwilliges Ableben. Hat mich die Ideen-Diva erst einmal am Haken, sind Augenringe und fahle Gesichtshaut die unausweichliche Nebenwirkung. Makellose Schönheit wird überbewertet, denke ich dann und tupfe Make-up auf die Augenringe. Für ein wirklich gutes Manuskript opfere ich natürlich gern die eine oder andere Stunde Schlaf, also reden wir über Flüssigkeitszufuhr.
Trinken ist nicht nur wichtig, es ist mein Kreativitätsbarometer. Und ich riskiere damit ernsthaft Nierensteine. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Nieren, die Kaffee in rauen Mengen und Verzweiflungs-Achterl ertragen. Haltet durch, der nächste Kräutertee-Tag kommt bestimmt (großartige Ideen sind dann allerdings keine zu erwarten).
Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, ist für SchriftstellerInnen ungleich höher als für den Rest der Bevölkerung, Stichwort Schokolade. Schokolade zur Beruhigung, Schokolade zur Anregung, Schokolade zur Belohnung, Schokolade als Trostpflaster. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Dass Schreiben ein einsames Geschäft ist, ist nicht neu. Vereinsamung noch vor dem eigentlichen Schreiben ist meine persönliche Spezialdisziplin, wobei ich mit auffälligem Starren auf den Messerblock und übertriebenem Interesse für Giftpflanzen die besten Erfahrungen gemacht habe. Packungsbeilagen ziehe ich jedem Blockbuster vor!
Was wäre meine Ehe ohne Nebenwirkungen des Schreibens? Abend für Abend würde sich mein Mann in Sicherheit wiegen und dem Bösen die Haustür vor der Nase zusperren. Ein dramatischer Vortrag aus dem Manuskript, vorzugsweise Thriller, wandelt zufriedenes Kuscheln auf dem Sofa ganz schnell in entsetzte Blicke und fassungsloses Schweigen. Mögliche Wechselwirkungen können hier allerdings nicht ausgeschlossen werden: Ein lapidares „Nicht ernst nehmen, alles frei erfunden“ kann unter Umständen den ständigen Vorwurf, nicht ernst genommen zu werden, aufheben.
Übrigens erhöht sich das Risiko, selbst zum Mordopfer zu werden, proportional zur Fangemeinde: Hat man den perfekten Mord inklusive wasserdichtem Alibi erst einmal an die Zuhörerschaft verfüttert, sichert nur noch ein konfliktfreier Alltag das eigene Überleben. Jetzt wissen ja alle, wie‘s geht.