Das Böse, gut erklärt
von Katharina Eigner
Jahrelang bin ich entkommen, jetzt haben sie mich eingeholt: die guilty pleasures. Vergnügen mit mehr oder weniger hohem Schamfaktor, die man lieber für sich behält. Wenigstens ist meine Wahl auf etwas Verwertbares gefallen.
Eine Pädagogin und Personalberaterin, die in düster inszenierten Bühnenshows ihr Publikum auf den Kampf gegen narzisstische Angreifer einschwört. Quasi Verteidigung gegen die dunklen Künste mit Bomberjacke und zu kurzen Stirnfransen. Schwarzer Hintergrund, dramatische Sounds, Lichttechnik wie im Verhörraum. Nicht, dass ich mir je eine Karte dafür geleistet hätte; da müsste ich mich ja als interessiert outen.
Nein, ich folge der selbsternannten Profilerin hündisch treu auf Instagram. Warum, ist mir unerklärlich, und zwar in mehrerlei Hinsicht.
Erstens: Sie sagt nichts Neues. Begriffe wie Narzissmus, Gewalt oder Tatort sind Grundausstattung jeder Krimiautorin. In meinem Bücherregal streiten sich Abhandlungen angesehener Psychologen zur dunklen Seite der Seele um den Platz.
Zweitens: Sie ist höchst streitbar. Böse Zungen bezeichnen sie gar als Hochstaplerin. Die Dame hat eine Dauerkarte für die Gerichtssäle der Republik; sämtliche Gegner haben sich an ihr bislang allerdings die Zähne ausgebissen.
Und: von der toughen Lady in Black existiert ein Foto, das so gar nicht zum jetzigen Image der Psychokriegerin passt. Weiße Bluse, braver Zick-Zack-Scheitel und Perlenohrringe.
Ein braves Mädchen, das Personalabteilung gegen Bühnenboden getauscht hat. Eine, die das Böse gut erklärt. Ein besseres guilty pleasure hätte mich nicht einholen können.