Angenommen, im Rennen um den allerletzten freien Platz im Herbst-Verlagsprogramm
von Katharina Eigner
... sind das Manuskript von Autor Fastschonfix und meines, der Autorin Wirdwohlnix. Sofort ploppen Statistiken über die Rolle der Frau im Buchmarkt vor meinem geistigen Auge auf, und: weg ist sie, die überschäumende Vorfreude auf mein Werk zwischen zwei Buchdeckeln. Weg ist die Vorstellung des verheißungsvollen RATSCH beim Öffnen des Kartons mit Belegexemplaren, und der Duft von pressfrischem Papier weicht einem tiefen Seufzer.
Denn allerspätestens seit der Studie #frauenzählen ist das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen nicht nur in Zahlen belegt, sondern in farbenfrohen Balkendiagrammen sichtbar. Männer dominieren den Literaturbetrieb, sei es bei Preisverleihungen, Entscheidungspositionen, medialer Präsenz oder Rezensionen. Was also tun?
„It´s a man´s world“, murmle ich entmutigt und lasse mehrere Eiswürfel in meinen Halbfett-Milchkaffee plumpsen. Rapide erkaltet das Heißgetränk, das Glas knackst bedrohlich und der wohlriechende Energiespender wird zur fahlen Brühe, den ich mir mühsam als Iced Latte schönrede.
„Die Lage ist beschissen, aber nicht aussichtslos“, erklärt mein lieber Freund und Schreibkollege Dani mit missbilligendem Blick. Die Low-Fat-Variante meines sonst so geliebten Eiskaffees missfällt ihm.
„Zwei Worte: Lotusblüte und Anlauf“, sagt er und nimmt mir das Glas aus der Hand.
Meinen halbherzigen Protest ignoriert er, kippt das Koffein einfach in die Spüle und hinterlässt ein großes Fragezeichen.
„Habe ich dir schon von dem Seminar erzählt, das ich neulich besucht habe? Gelassenheit durch den Lotusblüteneffekt!“
Dani, muss man wissen, hat sich vor einiger Zeit der Psychohygiene verschrieben. Wie ein gut trainiertes Trüffelschwein spürt er seither Energieräuber auf, erschnuppert neue Kraftquellen und hat in mir eine durchaus brauchbare Testperson erkannt. Widerstand zwecklos. Mit einer matten Handbewegung mache ich also die Bühne frei.
„Ich habe gelernt, Negatives an mir abperlen zu lassen. Das Schlüsselwort ist Souveränität, auch wenn dich das Leben anpisst. Konkret: Oberfläche verändern, Schmutz gar nicht erst einsickern lassen. Also nichts persönlich nehmen. Und ich kann dir sagen…“, er füllt Kaffeebohnen in den Vollautomaten und schaltet ihn ein, „es wirkt. Tatsächlich.“ Er nimmt ein frisches Glas aus dem Geschirrschrank und hält es unter den italienischen Barista-Edelstahlkoloss. „Stell dir vor“, schreit Dani gegen das Zischen und Fauchen der Kaffeemaschine an, „du bist eine Lotusblüte. Unschöne Sachen kannst du zwar nicht vermeiden, aber du lässt sie nicht an dich heran.“
„Aha.“ Keinesfalls will ich Danis Theorie anzweifeln, aber setzt sie nicht eine Ablehnung meines Manuskriptes voraus, um angewendet zu werden?
„Schön. Aber was kann ich tun, damit sich mein Manuskript gegen das von Herrn Fastschonfix behauptet?“, versuche ich, Dani wieder auf den Pfad meiner Verzweiflung zu lotsen.
„Momentan: gar nichts“, so sein Kommentar, Schulterzucken inklusive. Dani holt Milch aus dem Kühlschrank (Vollfett), erhitzt sie in einem Stieltopf und lässt sie dann aus gut einem Meter Höhe in den Kaffee sickern. Mit seiner karamellfarbenen Hüftschürze und dem pechschwarzen Hemd könnte er zweifelsohne neben George Clooney als Koffein-Beau glänzen. Nur: momentan steht mir der Sinn nicht nach optischen Leckerbissen.
„Damit ich das richtig verstehe“, fauche ich gereizt, „ich habe also, als schreibende Frau, einfach Pech gehabt? Chancengleichheit ist nur ein Wort mit siebzehn Buchstaben, und im Idealfall lege ich mir eine alltagstaugliche Schizophrenie zu und benehme mich wie eine Zierpflanze?“
„Ich sagte: momentan“, erwidert Dani ungerührt und kramt konzentriert im Tiefkühlfach.
„Was ist die Alternative? Zurückweichen und den Herren der Schöpfung den Vortritt lassen?“
Dani seufzt und öffnet eine Vanilleeis-Dose. Lässig aus dem Handgelenk formt er drei gleichmäßig große Kugeln.
„Nein! Du bist zu gut, um zurück zu weichen! Bleib dran und gib nicht auf! Und in der Zwischenzeit“, mit Sprühsahne formt er eine perfekte Haube über dem Glas, „müssen wir alle dazu beitragen, damit sich was ändert! Bücher von Frauen kaufen, empfehlen, verlangen, vorlesen! Der Markt muss ich ändern, und der Markt sind wir alle!“
Der krönende Abschluss sind Streusel aus Bitterschokolade und Pekannüssen über der Sahne.
„…und was hast du mit Anlauf gemeint?“, frage ich versöhnlich, als Dani mit dem Getränk zu mir kommt. Er stellt das hochkalorische Gesamtkunstwerk vor mir ab und setzt sich mir gegenüber.
„Du brauchst Energie!“, zwinkert er mir zu, „denn eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können!“