Autorinnen in der Corona-Krise
von Barbara Steuten

Die Tage und Wochen verlieren gerade ihre Struktur. Ein Tag gleicht dem anderen. Aber donnerstags liegt die Wochenzeitung DIE ZEIT in meinem Briefkasten.
So habe ich ins beiliegende ZEIT-MAGAZIN geblättert und unter der Überschrift ICH BRAUCHE EINE RETTUNG das Interview mit Eva Sichelschmidt gelesen.
Ihr zweiter Roman „Bis wieder einer weint“ erschien Ende Januar bei Rowohlt und teilt das Schicksal vieler Bücher, die kurz vor oder während des Shutdowns der Corona-Pandemie herausgekommen sind: kaum Aufmerksamkeit – es scheint, Wichtigeres zu geben.
Eva Sichelschmidt berichtet, dass sie seit 2013 an diesem Buch mit viel Herzblut geschrieben hat. Obwohl sie eine gelungene Buchpräsentation und mehrere Lesungen hatte, empfindet sie, dass ihre harte Arbeit gerade hinter Corona verschwindet.
„Ich bin noch nicht so weit, zu sagen, es war alles umsonst, aber es geht schon hart in die Richtung. (…) Zumal ich auch eine Absage für Lesungen und Veranstaltungen nach der anderen bekomme. Das alles erzeugt einen so starken Gegenwind, dass man sich sehr zusammenreißen muss, um durchzuhalten“, formuliert sie treffend.
Besser kann man die aktuelle Gemütslage und finanzielle Situation der meisten Autorinnen und Autoren nicht in Worte fassen.
Nur hat nicht jede von uns „DIE ZEIT“ an ihrer Seite, die eine Leseprobe des neuesten Romans veröffentlicht. Was also tun?
Mich überzeugen „diese selbstgestrickten Formate, wo Schriftsteller am heimischen Küchentisch sitzen“, wie Frau Sichelschmidt die zahlreichen YouTube-Videos und Online-Lesungen nennt, auch nicht wirklich. Macht sich jemand, der sich von einer Gratis-Lesung zur nächsten klickt, die Mühe, das dazugehörige Buch im örtlichen Buchladen zu ordern?
Statt in einem großen Publikumsverlag wie Rowohlt erschien mein Buch am 19. März in einem Kleinstverlag, den die KNV-Insolvenz 2019 schon hart getroffen hat. Für ihn könnte die Corona-Krise das endgültige Aus bedeuten.
Im Moment wehrt er sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen das drohende Schicksal und zählt dabei auch auf die Solidarität seiner Autor*innen.
Natürlich empfehle ich die Bücher meiner Kolleg*innen gerne weiter, aber nur noch untereinander unsere Bücher beim Verlag zu kaufen, wie eine Kollegin vorschlug, kann doch nicht die Lösung sein.
Eva Sichelschmidt führt außerdem einen kleinen Laden, indem bisher Whisky und Zigarren angeboten wurden sowie Lesungen und Veranstaltungen stattfanden. Jetzt musste sie aufgrund der Corona-Pandemie erst einmal schließen und die Angestellten in Kurzarbeit schicken. Dabei konnte sie zum Glück auf das staatliche Hilfsprogramm zurückgreifen. Das soll nicht nur Unternehmer*innen, sondern auch „Solo-Selbstständigen“ unter die Arme greifen, was nach Berichten einiger Kolleginnen auch schnell und unbürokratisch funktioniert hat. (Hier erfahrt Ihr, wo Ihr Hilfe beantragen könnt: https://kreativ-bund.de/corona, https://www.kulturrat.de/corona/.)
Und dennoch fallen viele Autorinnen und Autoren durchs Rettungsnetz. Wer, wie ich, den Sprung über die finanzielle Hürde von 3.900 € Bruttogewinn p.a. noch nicht genommen hat, um in die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden, wird erst gar nicht im Hilfsprogramm berücksichtigt.
Und wie soll man diesen Gewinn einfahren, wenn die akquirierten Lesungen abgesagt wurden und noch in den Sternen steht, wann Lesungen überhaupt wieder stattfinden können?
Der zweite Punkt auf meiner Liste für 2020 war die Bewerbung bei einer Literaturagentur, um endlich den Schritt von der Hobby-Autorin zur Profi-Schriftstellerin zu machen. Meine Motivation diesbezüglich ist gerade in den Minusbereich gesunken.
Denn viele Verlage verschieben die Neuerscheinungen ihrer Bücher nach hinten. Ob da überhaupt noch die Nachfrage nach neuen Manuskripten besteht?
Und welche Literaturagentur übersteht den Einbruch des Buchmarktes?
Nein, nur weil die Leute zu Hause hocken müssen, verkaufen sich unsere Bücher nicht wie warme Semmeln.
Und nein, mir fällt auch keine Lösung der zahlreichen oben nur beispielhaft genannten Probleme ein.
Aber ich bin mir sicher, dass die Menschen in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz, ja weltweit unsere Geschichten brauchen.
Ob wir ihnen nun den Spiegel vorhalten oder ihnen neue Perspektiven eröffnen, ob wir sie mitnehmen in andere Länder oder Welten, weil man gerade nicht reisen kann, ob wir ihnen vor Augen halten, wie es sich in einem Staat lebt, in dem alles und alle überwacht werden oder ob wir ihnen nur ein paar unbeschwerte Stunden Lesegenuss verschaffen – wir werden gebraucht!
Also unterschätzen wir nicht die Macht, unsere Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen der Gesellschaft als Kopfkino zu servieren. Schreiben wir weiter. Das ist das, was wir wollten, was wir können, was wir müssen und was wir jetzt sollten.
Bleibt gesund. Und munter. Und schreibt.
Die Tage und Wochen verlieren gerade ihre Struktur. Ein Tag gleicht dem anderen. Aber donnerstags liegt die Wochenzeitung DIE ZEIT in meinem Briefkasten.
So habe ich ins beiliegende ZEIT-MAGAZIN geblättert und unter der Überschrift ICH BRAUCHE EINE RETTUNG das Interview mit Eva Sichelschmidt gelesen.
Ihr zweiter Roman „Bis wieder einer weint“ erschien Ende Januar bei Rowohlt und teilt das Schicksal vieler Bücher, die kurz vor oder während des Shutdowns der Corona-Pandemie herausgekommen sind: kaum Aufmerksamkeit – es scheint, Wichtigeres zu geben.
Eva Sichelschmidt berichtet, dass sie seit 2013 an diesem Buch mit viel Herzblut geschrieben hat. Obwohl sie eine gelungene Buchpräsentation und mehrere Lesungen hatte, empfindet sie, dass ihre harte Arbeit gerade hinter Corona verschwindet.
„Ich bin noch nicht so weit, zu sagen, es war alles umsonst, aber es geht schon hart in die Richtung. (…) Zumal ich auch eine Absage für Lesungen und Veranstaltungen nach der anderen bekomme. Das alles erzeugt einen so starken Gegenwind, dass man sich sehr zusammenreißen muss, um durchzuhalten“, formuliert sie treffend.
Besser kann man die aktuelle Gemütslage und finanzielle Situation der meisten Autorinnen und Autoren nicht in Worte fassen.
Nur hat nicht jede von uns „DIE ZEIT“ an ihrer Seite, die eine Leseprobe des neuesten Romans veröffentlicht. Was also tun?
Mich überzeugen „diese selbstgestrickten Formate, wo Schriftsteller am heimischen Küchentisch sitzen“, wie Frau Sichelschmidt die zahlreichen YouTube-Videos und Online-Lesungen nennt, auch nicht wirklich. Macht sich jemand, der sich von einer Gratis-Lesung zur nächsten klickt, die Mühe, das dazugehörige Buch im örtlichen Buchladen zu ordern?
Statt in einem großen Publikumsverlag wie Rowohlt erschien mein Buch am 19. März in einem Kleinstverlag, den die KNV-Insolvenz 2019 schon hart getroffen hat. Für ihn könnte die Corona-Krise das endgültige Aus bedeuten.
Im Moment wehrt er sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen das drohende Schicksal und zählt dabei auch auf die Solidarität seiner Autor*innen.
Natürlich empfehle ich die Bücher meiner Kolleg*innen gerne weiter, aber nur noch untereinander unsere Bücher beim Verlag zu kaufen, wie eine Kollegin vorschlug, kann doch nicht die Lösung sein.
Eva Sichelschmidt führt außerdem einen kleinen Laden, indem bisher Whisky und Zigarren angeboten wurden sowie Lesungen und Veranstaltungen stattfanden. Jetzt musste sie aufgrund der Corona-Pandemie erst einmal schließen und die Angestellten in Kurzarbeit schicken. Dabei konnte sie zum Glück auf das staatliche Hilfsprogramm zurückgreifen. Das soll nicht nur Unternehmer*innen, sondern auch „Solo-Selbstständigen“ unter die Arme greifen, was nach Berichten einiger Kolleginnen auch schnell und unbürokratisch funktioniert hat. (Hier erfahrt Ihr, wo Ihr Hilfe beantragen könnt: https://kreativ-bund.de/corona, https://www.kulturrat.de/corona/.)
Und dennoch fallen viele Autorinnen und Autoren durchs Rettungsnetz. Wer, wie ich, den Sprung über die finanzielle Hürde von 3.900 € Bruttogewinn p.a. noch nicht genommen hat, um in die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden, wird erst gar nicht im Hilfsprogramm berücksichtigt.
Und wie soll man diesen Gewinn einfahren, wenn die akquirierten Lesungen abgesagt wurden und noch in den Sternen steht, wann Lesungen überhaupt wieder stattfinden können?
Der zweite Punkt auf meiner Liste für 2020 war die Bewerbung bei einer Literaturagentur, um endlich den Schritt von der Hobby-Autorin zur Profi-Schriftstellerin zu machen. Meine Motivation diesbezüglich ist gerade in den Minusbereich gesunken.
Denn viele Verlage verschieben die Neuerscheinungen ihrer Bücher nach hinten. Ob da überhaupt noch die Nachfrage nach neuen Manuskripten besteht?
Und welche Literaturagentur übersteht den Einbruch des Buchmarktes?
Nein, nur weil die Leute zu Hause hocken müssen, verkaufen sich unsere Bücher nicht wie warme Semmeln.
Und nein, mir fällt auch keine Lösung der zahlreichen oben nur beispielhaft genannten Probleme ein.
Aber ich bin mir sicher, dass die Menschen in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz, ja weltweit unsere Geschichten brauchen.
Ob wir ihnen nun den Spiegel vorhalten oder ihnen neue Perspektiven eröffnen, ob wir sie mitnehmen in andere Länder oder Welten, weil man gerade nicht reisen kann, ob wir ihnen vor Augen halten, wie es sich in einem Staat lebt, in dem alles und alle überwacht werden oder ob wir ihnen nur ein paar unbeschwerte Stunden Lesegenuss verschaffen – wir werden gebraucht!
Also unterschätzen wir nicht die Macht, unsere Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen der Gesellschaft als Kopfkino zu servieren. Schreiben wir weiter. Das ist das, was wir wollten, was wir können, was wir müssen und was wir jetzt sollten.
Bleibt gesund. Und munter. Und schreibt.