Drei Fragen an ... Catrin Ponciano

09.09.2022 – Catrin Ponciano verwebt gern Fakten mit Fiktion. Warum sie nach Portugal auswandern musste, um mit dem Schreiben zu beginnen, verrät sie im Interview.
Du hast zum Jahrtausendwechsel den Sprung in ein neues Leben gewagt und bist nach Portugal ausgewandert. Dazu hast du nicht nur das Land sondern auch den Beruf gewechselt. Wie kam es dazu, dass du dein Leben so radikal verändert hast und wie bist du zum Schreiben gekommen?
Zunächst stand Portugal nicht zur Debatte, sondern Spanien. Meine erste Phase der Auswanderung habe ich in Andalusien verbracht und dort auf einem Gestüt junge Andalusier Pferde ausgebildet. In Portugal wartete jedoch ein besser dotiertes Jobangebot als Küchenchefin auf mich und so zog ich 1999 um an die Algarve. Es hat weitere sechs Jahre gedauert, bis ich mir eines Tages die Frage gestellt habe: Bin ich ausgewandert, um weiterhin mein Leben in einer Restaurantküche zu verbringen? Die Antwort war sehr laut und deutlich: Nein. Als nächstes fragte ich mich, heimlich, ganz heimlich, was ich gerne machen möchte? Schreiben. Wie früher schon. Bevor ich meine Ausbildung zur Köchin gemacht habe. Als ich den Stift in die Hand nahm und meine erste Artikelserie über die Kulinarik Portugals verfasst und an eine Zeitschrift verkauft habe, fühlte sich das wie eine innere Rückkehr an. Ich war glücklich.
Für dein Krimidebüt "Leiser Tod in Lissabon" hast du 2021 den Stuttgarter Krimipreis in der Kategorie Debüt erhalten. Wie ging es dir damit beim Schreiben des zweiten Buches? Hat dich die Auszeichnung unter Druck gesetzt oder eher beflügelt?
Das Thema meines Debüts wiegt literarisch, mit und ohne Auszeichnung. Das ist mir bewusst, denn ich kenne Portugals Geschichte sehr gut, die jüngste Zeitgeschichte während und nach der Diktatur interessiert mich als Schriftstellerin sehr. Ich mag es, Fakten mit Fiktion miteinander zu verweben und ganz nah an brisanten Themen entlangzuschreiben. Somit war klar, dass auch das zweite Buch einen politisch motivierten Plot haben wird, und ein mögliches drittes oder viertes, auch. Literatur fängt ein, was gewesen ist. Also suchte ich nach der emotionalen Ruptur in meiner Geschichte und fand sie in Grândola. Dort suchte ich authentische Schauplätze, und braute den fiktiven Plot drumherum. Zwischendurch fragte ich mich natürlich, kann der Inhalt mit dem ersten mithalten? Das wirkte anspornend, irgendwie, ich wagte neue Situationen, und intensivierte Gefühle, Gedanken, den gesamten Kontext sogar noch.
Nun ist dein zweiter Kriminalroman „Rache im Alentejo“ erschienen. Was ist Thema deines Krimis und was hat dich zu dem Krimi inspiriert?
Die Inspiration für die gewünschte Ruptur traf mich während meiner Recherchen. „Rache im Alentejo“ spielt in Carrasqueira am urigen Palafítico Stelzensteg im Schlick, der den örtlich ansässigen Fischern als Hafen dient. Er liegt im Landkreis Grândola. Dort hat sich in den 50er Jahren der Widerstand gegen die Diktator Portugals geformt. Das Mahnmal mit Nelke versinnbildlicht die Revolution vom 25. April 1974. Sogar die politische Hymne des Widerstandes besingt Grândola. Als mein Mann und ich diverse Schauplätze meines Krimis und danach das Denkmal besucht haben, saßen wir anschließend in einem Café und wollten bestellen. Die Wirtin zischte, „wir wollen keine Fremden hier“. Ein bemerkenswerter Kommentar in einem Widerstandsnest, notierte ich, und fand die Zündschnur für meinen gesellschaftlich kontroversen Plot. Der selbst erlebte Widerspruch reizte mich so sehr, ihn erzählerisch auszuleuchten. Das ganze fürs Fernweh der Lesenden an idyllischen Schauplätzen inszeniert.
Zum Autorinnenprofil von Catrin Ponciano.
Homepage: https://catringeorge.com
Die Fragen stellte Sybille Baecker.

Aktuelle Neuerscheinung:
Rache im Alentejo
Catrin Ponciano
Emons Verlag, Köln
ISBN 978-3-7408-1574-5