Drei Fragen an ... Sabine Hirschfeld

15.05.2024 – Sabine Hirschfeld berichtet im Interview, wie sie zum Lesen und Schreiben von Krimis kam und wie ihre Arbeit an Ihrer Krimiserie aussieht.

Gerade ist mit „Hass Macht Tod“ der zweite Teil deiner „Hamburg Mord“-Serie erschienen. Deine Krimis sind nicht Cosy, sondern auf deiner Webseite liest man, dass du „dunkle Geschichten“ schreibst. Was fasziniert dich daran?

Um das zu verstehen, musst du wissen, dass ich in einem kleinen Ort in der Lüneburger Heide aufgewachsen bin. Wir befinden uns in den Achtzigerjahren. Das Taschengeld ist knapp, die nächste Buchhandlung gefühlte Lichtjahre entfernt. Internet gibt es nicht. Aber: Es gibt den Bücherbus – und der hält jeden zweiten Mittwoch im Monat in meiner Straße. Die Bille-und-Zottel-Phase ist schnell passé als ich die Regale mit den dunklen Covern entdecke. Der Busfahrer (resp. Bibliothekar) drückt ein Auge zu – und ich greife nach einem Buch von Stephen King. Cujo. Seitdem hat es mich, bis heute.
Was ist es, das mich danach greifen, es lesen und lieben lernen ließ? Ich denke, es ist die Lebenswirklichkeit, die ich in diesen Geschichten erkannte, die Themen, die auch mich berührten in meiner Jugend und bis heute. Ängste, Abschied, Verletzung. All das ist menschlich, und alles Menschliche interessiert mich zutiefst.
In meinen Romanen darf es menschlich und - ich sage mal nordisch-humorvoll - zugehen. Eine Leiche liegt nicht plötzlich so da. Da ist etwas passiert. Und darüber schreibe ich.

Wie findest du die Ideen für einen neuen Plot?

Ich bin selbstständige Lektorin für Wirtschaftstexte. Aus diesem Grund verfolgte ich die Berichterstattung über den Cum-Ex-Skandal in der Presse. Mir fiel auf, dass der Betrug in der Hauptsache von Menschen verübt wurde, die im vollen Bewusstsein ihrer Macht und Überlegenheit handelten. Ich habe selbst jahrzehntelang in einer von Männern dominierten Welt gearbeitet, und ich stellte mir die Frage: Was wäre, wenn eine in Ruf und Selbstbewusstsein angeknackste Frau mit der Aufklärung eines Mordfalls betraut werden würde, dessen Spuren in die höchsten Zirkel der Macht führen? Das war die Initialzündung zu „Familie Macht Tod“, dem ersten Band meiner Krimireihe.
Im Grunde genommen ist Mara Abels eine Frau wie du und ich, die dafür kämpft, gegen Widerstände (auch innere) ernst genommen zu werden.
Für Band 2, „Hass Macht Tod“ kam die Initialzündung im Wartezimmer meiner Gynäkologin. Ich dachte: Was wäre, wenn du schwanger bist, und niemand ist da, der dir helfen kann, will oder darf? Und umgekehrt: Was tust du, wenn du helfen möchtest, aber nicht darfst? Fragen, die, wie ich finde, heute noch ähnlich aktuell sind wie zur Zeit von Zaubertrank und Drahtkleiderbügel.

Du hast viele Jahre in der Bank- und Technik-Branche gearbeitet. Wie gehst du beim Schreiben deiner Serie vor? Bist du da auch eher gut organisiert, wie man es sich bei einer Bankerin vorstellt? Oder schreibst du einfach drauflos?

Ich bin ein strukturierter Mensch. Dennoch habe ich beim ersten Band einfach drauflos geschrieben. „Wird schon“, habe ich gedacht. Pustekuchen. Nach circa 30 Seiten bin ich vor die Wand gekracht. Da habe ich begonnen zu plotten. Was passiert wem, wann, warum? Für jeden Erzählstrang eine Farbe – und habe das in eine Exceltabelle rein gepuzzelt. Ab ungefähr Seite 250 merkte ich, dass die Tabelle unnötig wurde. Zu diesem Zeitpunkt lief es fast von allein. Das war ein großartiges Gefühl. Zeitgleich habe ich bemerkt, dass ich ein Füllerschreiber bin. Bis heute schreibe ich große Teile meiner Romane mit der Hand.
Beim zweiten Teil konnte ich auf Tabellenkalkulation verzichten. Gerade schreibe ich am dritten Band. Ich weiß, woher ich komme, wohin ich möchte und warum der Täter das tut, was er tut. Und es funktioniert.
Ich denke, es ist ein bisschen wie Fahrrad fahren. Zu Beginn braucht man noch Stützräder und schlingert ein bisschen, später läuft es dann. Man muss nur den Mut aufbringen, sich immer wieder in den Sattel zu setzen.

Zum Autorinnenprofil von Sabine Hirschfeld.
Homepage: https://sabinehirschfeld.com/
Die Fragen stellte Sybille Baecker.