Fragen an ... Stefanie Gregg

15.04.2025 - Von steinigen Anfängen bis zu schneebedeckten Gipfeln: Stefanie Gregg schildert ihre literarische Reise als eine Landkarte voller Höhen und Tiefen, die sie zu unerwarteten kreativen Horizonten führte. Sie erzählt, wie Disziplin und Leidenschaft sie zu einer gefeierten Schriftstellerin machten und warum sie die "Mörderischen Schwestern" nicht missen möchte.

Stell dir vor, Deine Karriere als Autorin wäre eine Landkarte: Welche Stationen haben dich am meisten geprägt und welche unerwarteten Umwege führten zu neuen kreativen Horizonten?

Schreiben – auf der Landkarte: ein bergiges Terrain

Kleine regionale Hügelchen: der Anfang war steinig und holprig. kein Mensch wollte mein Manuskript. – Nur ein „Mini-Verlag“.
Wendelstein - Gipfel mit enormem Weitblick: ein Literaturpreis.
Rila-Massiv im Südwesten Bulgariens: Stetiges Auf und Ab im Gebirge: die nächste Geschichte bei Ullstein, nur als ebook und aus der Printversion wurde nichts (Bulgarien ist ein schwieriges Thema … selbst wenn es um den berühmten Regenschirmmord geht …)
Musala, 3.000 Höhenmeter, Schneebedeckte Gipfel: Doch plötzlich nahm sich der Pendragon Verlag meiner bis heute von mir sehr geliebten Geschichte an: „Duft nach Weiß“.
Münchner Hausberge: Es folgte ein Berg, der zunächst nur Blick auf das nächste Gebirge bot: die große Lianne Kolf nahm mich unter die Fittiche ihrer Agentur. – Wegen einer Krimireihe um den grummeligen Kommissar Fricke und der schnippischen Staatsanwältin Karinoglous.
Dunkle Wolken am Horizont: Ich „flehe“ sie an, auch meine Roadnovel anzubieten, die mir so am Herzen liegt. Ihr Urteil: „Zu literarisch. Geht nicht“.
Ich bitte und bettele – sie hält das nicht mehr aus – und bietet an: „An fünf Verlage, Frau Gregg, mehr nicht.“
Ein Tag später: der Aufbau Verlag ruft an und will die Story. (Die Krimireihe wurde erst Wochen später, an Gmeiner verkauft.)
Zugspitze: „Mein schlimmster schönster Sommer“ erscheint, mit Lese-Exemplar an alle Buchhändler. Ein großer Erfolg. Ich bin glücklich.
Aufbau, Stammautorin. „Sommer der blauen Nächte.“
Schneekoppe, Riesengebirge: Die „Nebelkinder“, eine Geschichte über Kriegsenkel, ein Dreigenerationen Roman, beginnend in Breslau, schafft den Durchbruch: 60.000 verkaufte Exemplare.
Die Karte der Welt scheint mir danach nur noch Ebenen zu bieten. Was soll noch kommen?
Es kommt etwas: „DAS GLASKIND“, Aufbau 2024.
Ich liebe das Reisen, werde weiter reisen. Auf realen und imaginären Landkarten.

Deine Charaktere wirken stets so eigenständig und lebendig. Wie entstehen bei dir die ersten Skizzen dieser Figuren – etwa durch ein spontanes Gefühl oder einem bewussten, langwierigen Prozess?

Ich sehe etwas, oder jemanden. Und plötzlich ist eine Szene im Kopf. Mein Protagonist wird Mensch, hat eine Geschichte, erlebt etwas. Meist schreibe ich diese erste Szene. Dann kommt das Handwerk: Plotten, Charakterisierungen, Beat sheet … Und schließlich verbindet sich Imagination mit Schreib-Technik, gemischt mit ein bisschen Wahnsinn sowie viel Mühe. Und Glück. Ein bis zwei Jahre: dann ist es ein Roman.

Glaubst du, dass die Disziplin und der strategische Weitblick aus der Beratungsbranche dir dabei helfen kann, in einem kreativen Kollektiv wie den Mörderischen Schwestern neue Wege zu gehen?

Das ist mal eine sehr interessante Frage! (Die mir noch nie gestellt worden ist!) Die Antwort ist ein eindeutiges Ja! Ich bin tatsächlich sehr diszipliniert, sehr analytisch, habe gelernt, auf den Punkt zu analysieren, schlusszufolgern und dies darzustellen. – Und auch Tag und Nacht zu arbeiten, manchmal bis zu 18 Stunden. Aber es steckt, von Kindheit an, auch etwas anderes in mir. Mit fünf Jahren habe ich mir selbst das Lesen beigebracht, danach brach der Wahnsinn aus: ich habe alles mit Buchstaben verschlungen. Ich habe in Büchern gelebt (tue es bis heute). Ich liebe die Sprache. Mit fünfzehn bin ich immer mit meiner Clique in den Wald gefahren, wo wir uns selbst geschriebene Gedichte vorlasen … Später war es irgendwann klar: wirtschaftliche Ziele sind nicht jene in meinem Herzen. Sie waren ein (guter!) Umweg zwischen Germanistik Studium, Bertelsmann und dem Eigentlichen: dem Schreiben. Dabei bin ich glücklich.

Warum bist du zu den MS gegangen?

Ganz zu Anfang meiner Schreibkarriere habe ich die Mörderischen Schwestern entdeckt, es war die erste Schriftstellervereinigung, der ich beigetreten bin. Und seit meinem ersten Treffen in der Münchner Regio war es für mich genauso klar wie jetzt: dort bin ich gerne! Ich mochte die Mörderischen Mädels sofort! Klug und witzig, unterschiedlich und interessant. Vor allem aber kollegial, hilfreich, unterstützend! Ich habe in all den Jahren unzählige Veranstaltungen mitgemacht: Giftkräutergärten besucht, Pathologie besichtigt, Profiling erlernt; ich habe damals in München das große Krimi-Festival Tatort Tela mit organisiert, ich war bei mindestens 20 LCNs ... Unzählige spannende, interessante, mich weiterbringende Erfahrungen!

Gerade letztes Jahr bin ich, einfach so, nur aus Interesse, nicht mit einem wirklichen Schreibziel mit den Mörderischen Schwestern auf den Flughafen gefahren, wo uns der Sicherheitsdienst einen ganzen Tag auf dem Flughafengelände herumführte; und man uns vor allem sehr viel erzählte, was man als Reisender nicht erfährt.  Es waren Dinge dabei, die mich unfassbar berührt haben: z.B. dass es Obdachlose gibt, die auf dem Flughafen leben! Ebenso war ich schockiert, als man uns zeigte, dass es auf dem Flughafen ein Gefängnis gibt. Nun, es geschieht, was geschehen muss: dieses Jahr erscheinen zwei Kurzgeschichten darüber von mir …

Ich möchte meine Mörderischen Schwestern nicht missen!

Zum Autorinnenprofil von Stefanie Gregg .
Homepage: www.stefanie-gregg.de

Die Frage stellte Sabine Griebel.

 

Aktuelle Neuerscheinung:

Das Glaskind
Stefanie Gregg
Aufbau Verlag
ISBN 9783746641179