Drei Fragen an ... Eva Holzmair

14.04.2023 – "Der Verdrüssliche" ist eine real existierende Skulptur von Franz Xaver Messerschmidt. Im Interview gibt Autorin Eva Holzmair Einblicke, wie sie in ihrem Krimi Wahrheit und Fiktion miteinander verwebt.

In "Der Verdrüssliche" geht es um österreichisches Kulturgut - konkret um eine Skulptur von Franz Xaver Messerschmidt. Für die weniger Kunstaffinen unter uns: Wer ist der Verdrüssliche? Gab es diese Skulptur wirklich?

Der Verdrüssliche ist einer von Franz Xaver Messerschmidts berühmten Charakterköpfen, die Jahre nach seinem Tod (1783) von Preßburg nach Wien gelangten, dort zur Schau gestellt und etwa Mitte des 19. Jahrhunderts einzeln oder in kleineren Gruppen verkauft wurden. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich die Spur des Verdrüsslichen. Circa 1960 taucht er bei einem Wiener Antiquitätenhändler auf, der ihn an seinen Sohn vererbt. Dieser wiederum verkauft die Skulptur seinem Onkel. Später erfährt der Neffe, dass sein Onkel die Skulptur 2008 um einen gigantisch höheren Preis als dem ihm bezahlten an das Getty Museum in Los Angeles verkauft und der österreichische Staat eine Ausfuhrbewilligung erteilt hat. Was ihn besonders ärgert, sind die falschen Provenienzangaben des US-Museums, die ihn als zeitweiligen Besitzer nicht anführen und zudem behaupten, der Verdrüssliche wäre schon seit den 1920er-Jahren in Besitz seiner Familie gewesen.
Diese Tatsachen bildeten das Grundgerüst für meinen „Krimi ohne Leiche“, wie ihn eine Kritikerin nannte.

Auf deiner Website liest man: "Ein Roman, der auf wahren Begebenheiten basiert." Wie bist du auf die Idee zu dem Krimi gekommen? Wie verwebst du Wahrheit und Fiktion?

Die Idee zu diesem Roman stammt von einem befreundeten Rechtsanwaltspaar, das vom getäuschten Neffen konsultiert wurde. Dieser war einverstanden, dass ich darüber einen Roman schreibe. Er ist leider vor Erscheinen des Buchs verstorben.
Ich gebe zu, dass mich das Thema anfangs wenig gereizt hat, weil ich die Charakterköpfe zwar kannte – das Belvedere hat die weltweit größte Sammlung –, aber mit ihnen nichts anzufangen wusste. Nach ersten Recherchen hat mich der psychisch labile Messerschmidt mit seinem Werk jedoch fasziniert, und ich hatte riesigen Spaß daran, Fakt und Fiktion so zu vermengen, dass mein Lesepublikum – abgesehen von jenen, die kunstgeschichtlich versiert sind – nicht merkt, wo die Historie aufhört und meine Phantasie beginnt. Vor allem die Stationen, die ich dem Verdrüsslichen zumute, sind um Längen unterhaltsamer als die fragwürdigen Provenienzangaben. Im Roman ist die Kunsthändlerfamilie ebenso erfunden wie die taffe Hofrätin des Bundesdenkmalamts, die den Ungereimtheiten bei Ausfuhr und Provenienz nachgeht.

Wie findest du die Themen für deine Geschichten und Romane? Und wie entsteht ein Roman bei dir? Bist du eher die akribische Vorbereiterin oder schreibst du drauflos?

Beim Verdrüsslichen wurde mir das Thema zugetragen, bei Anthologien ist es vorgegeben. Ansonsten sind die Ideengeber aufgeschnappte Gesprächsfetzen, Begegnungen, Orte, Zeitungsartikel, mein Dolmetscherinnenberuf etc. Habe ich eine Idee, bereite ich mich mit groben Hintergrundrecherchen vor. Ich bin keine Freundin von starren Handlungsgerüsten, schreibe aber auch nicht drauflos. Zumeist doktere ich lange am Einstieg herum, auch sprachlich. Wenn er „sitzt“, spinne ich den Faden weiter, lasse mich aber auch von meinen Figuren überraschen. Während des Schreibens sind weitere Recherchen erforderlich, denn bei aller Phantasie müssen Handlungsorte und -perioden richtig wiedergegeben werden. So etwa habe ich für den Prolog des Verdrüsslichen, in dem Messerschmidt selbst zu Wort kommt, zeitgenössische Berichte studiert, um das damals gesprochene Deutsch authentisch wiederzugeben.
Ist der Text fertig, lese ich ihn zig Mal durch, schreibe unstimmige Passagen um, entferne überflüssige Sätze, und das so lange, bis ich halbwegs zufrieden bin. Ganz bin ich es nie.

Zum Autorinnenprofli von Eva Holzmair.

Homepage: www.evaholzmair.at

Die Fragen stellte Sybille Baecker.

 

Aktuelle Veröffentlichung
Der Verdrüssliche
Eva Holzmair
Gmeiner-Verlag
ISBN 978-3-8392-2811-1