Bärbel Grizzly
Ursprünglich sollten es Kurzgeschichten für Kinder werden. Aber daraus entwickelten sich schnell schaurige Mordsgeschichten. Tja, man soll halt das schreiben, was raus will, oder?
Und so gibt es größtenteils nicht normal Gestorbene, da rollen schonmal ein paar Köpfe oder ein Spuk treibt sein Unwesen. Und doch: zwischendurch verirrt sich dann doch eine etwas harmlosere Figur in eine meiner Geschichten, wie z. B. ein süßer kleiner Hund, der dem Hundefänger zusetzt. ;)
Alle Kurzgeschichten spielen in der fiktiven Landschaft Foggy Fields. Auf der eigens dafür von mir gezeichnete Landkarte befinden sich die Orte, an denen gestorben wurde.
Geisterferien
Schon wieder Ferien. Mal sehen, wohin Mama und Papa uns diesmal mitnehmen. Jedes Jahr dasselbe, total öde, Reinfall über Reinfall, Ferien im eigenen Land. Würden wir doch endlich mal woanders hinfahren.
„Um das Schloss in den Highlands von Foggy Fields kursieren viele Legenden“ hatte Papa gesagt, als ich ihn fragte, wohin wir diesmal in den Familienurlaub fahren. „Die Mama und ich haben uns viele Gedanken gemacht, damit die diesjährigen Ferien für dich und deine Schwester unvergesslich werden. Ihr wolltet doch immer mal ein Schloss besichtigen. Wir haben uns ein Schloss ausgesucht, das Gladis Castle in den Grizzly Mountains von Foggy Fields. In dem Schloss werden wir auch übernachten können, die haben nämlich ein paar Gästezimmer.“
„Endlich mal was anderes. Super Idee“, rief ich aufgeregt und umarmte meinen Vater. „Und was für Legenden meinst du? Erzähl doch mal.“
„In diesem Schloss soll es einen Geist geben, er wird die ´Graue Lady Janet` genannt. Gerüchten zufolge ist sie seit Jahrhunderten schon tot. Seitdem spukt sie dort. Sie war wohl sehr gläubig, deshalb hat sie in der schlosseigenen Kapelle in einer der hinteren Reihen einen eigenen Stuhl, dort darf sich niemand hinsetzten, er wurde und wird extra nur für sie freigehalten.“
Ich wurde neugierig. Vielleicht wurden diese Ferien doch noch was Besonderes? „Was passiert denn, wenn sich doch mal jemand auf ihren Platz setzt?“ „Tja, davon wird im Reiseführer nichts erwähnt.“
Aufgeregt rannte ich die Treppe hoch zu meiner Schwester und erzählte ihr von der Reise nach Schottland, von dem Schloss und von der Legende der ´Grauen Lady Janet`. Wir konnten es kaum erwarten, bis die Reise endlich losging, so voller Vorfreude hatten uns unsere Eltern schon lange nicht mehr erlebt.
Endlich kam der Tag der Abreise und somit auch der Tag der Anreise zum ´Gruselschloss`, wie meine Schwester es nannte. Nachdem wir unsere Zimmer gesehen und ausgepackt hatten, wollten meine Schwester und ich sofort das Schloss besichtigen. „Nun mal schön langsam“, sagte mein Vater. „Die nächste Führung ist erst morgen Vormittag.“ Enttäuscht ging ich in die Eingangshalle, setzte mich auf ein riesiges Sofa und fand in der schlosseigenen Broschüre Näheres über die Legende. Die ´Graue Lady Janet` soll angeblich nachts umher wandern und an die Türen derjenigen klopfen, die sich auf ihren Stuhl gesetzt haben. Das war genau mein Ding, das wollte ich gleich morgen mal austesten.
Am nächsten Tag nahmen wir an der Schlossführung teil. Wie geplant setzte ich mich in einem unbeobachteten Moment auf den Platz der ´Grauen Lady Janet`. Plötzlich fuhr mich von hinten der Schlossführer barsch an: „Steh sofort auf! Mit dem Zorn von Lady Janet ist nicht zu spaßen. Das mussten schon einige am eigenen Leib erfahren. Los, runter mit dir!“ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht stand ich auf und folgte dem Rest der Besucher in die anderen öffentlichen Räume. Die Räume sahen alles sehr schön und pompös aus, genau wie ich mir das vorgestellt hatte: die Tapeten sahen aus wie Teppiche (ich weiß, sind wohl Vliestapeten oder so, hab´s vergessen), viele große Gemälde mit schnörkeligem Goldrand, alte Möbel, verdunkelte Fenster, damit die Sonne die wertvollen Gemälde und Tapeten nicht ausbleicht. Nach der Führung spielten meine Schwester und ich im weitläufigen Park. Nach dem Abendessen ging ich auf mein Zimmer zum Fernsehen. Ich hatte keine Lust, dem Konzert im Musiksaal zuzuhören. Meine Eltern und meine Schwester schon. Es war bereits dunkel, da wachte ich durch ein Klopfen gefolgt von leisem Rufen auf: „Basti, komm zu mir.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken. Es klopfte wieder. Wo kam das her? Ich stand auf, lauschte in die Dunkelheit des Zimmers. Da, schon wieder. „Basti.“ Langsam folgte ich dem Ruf. Er kam aus dem Zimmer nebenan. Ich öffnete die Verbindungstür und da stand meine Schwester. „Mann, bist du blöd, Christy!“ sagte ich erleichtert. „Na, hast dir in die Hose gemacht?“ lachte Christy laut los. „Ach, sei still!“ fuhr ich sie an und ging zurück in mein Zimmer und legte mich wieder ins Bett, als es erneut klopfte. „Hör auf damit, das ist nicht witzig!“ rief ich zu meiner Schwester. Christy kam kreidebleich aus ihrem Zimmer geschlichen. „Ich war das aber nicht“ flüsterte sie mit zittriger Stimme. Es klopfte wieder, diesmal an meiner Tür zum Flur. Senkrecht saß ich im Bett, nun war auch mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. ´Lady Janet` flüsterte ich. Ich stand auf und wollte die Tür öffnen. „Bist du verrückt? Hast du nicht gehört, was der von der Schlossführung gesagt hat? Sie rächt sich an denen, die sich auf ihren Stuhl gesetzt haben.“ Christy zitterte vor Angst. „So ein Quatsch, es gibt keine Geister! Alles nur Schauermärchen für kleine Kinder.“ Es klopfte abermals, diesmal lauter und durchdringender als zuvor. Ich ging mit festen Schritten zur Tür, Christy folgte mir wie ein Schatten. Mit einem Ruck riss ich die Tür auf. „Siehst du? Keiner da.“ Ich zeigte links und rechts den langen Flur entlang. „Da hinten, ein Schatten.“ Christy zeigte nach rechts in den Gang. „Da ist nichts“ sagte ich genervt. Ich ging den Flur entlang bis zum Ende. Christy klammerte sich an meinen Arm. „Nicht so fest, du tust mir weh.“ Ich drehte mich um, um ihre Hand abzuschütteln, aber sie war nicht da. Es war niemand da. Ich spürte einen kalten Luftzug an mir vorbeiziehen Richtung Treppe. „Ok, nun reicht´s. Ihr habt gewonnen. Mama, Papa, das ist jetzt echt nicht mehr lustig“, rief ich mit wackeliger Stimme. „Basti.“ hörte ich die Frauenstimme wieder. Wie magisch von ihr angezogen ging ich die Treppe hoch, ich konnte gar nicht anders. Da vorn, da sah ich einen grauen Schatten. ´Lady Janet`, dachte ich. „Lady Janet“, stotterte ich leise, „es tut mir leid, dass ich mich auf ihrem Stuhl gesetzt habe.“ Die ´Graue Lady` verschwand in der Wand. Langsam ging ich auf die Wand zu. Da öffnete sich vor mir wie von Geisterhand eine Geheimtür. „Lady Janet?“ Zögernd ging ich in den dunklen Raum. Es entzündeten sich Kerzen in den Wandhalterungen. Nun sah ich erst, wie klein der Raum war. Ganz ohne Fenster lag der Raum wohl in den dicken Zwischenwänden. In der Mitte stand ein kleiner Tisch, umgeben von vier Stühlen. Drei Stühle waren besetzt. Von Skeletten in abgewetzter altertümlicher Kleidung. Neben dem leeren vierten Stuhl schwebte die ´Graue Lady Janet`. Sie zeigte mit einer Hand auf den leeren vierten Stuhl. „Basti, setz dich.“ flüsterte sie sanft, aber bestimmt. Wie willenlos setzte ich mich auf den leeren Stuhl. Die Köpfe der drei Skelette drehten sich zu mir. Der links neben mir sprach: „Du hast Mumm bewiesen, mein Junge. Willkommen zur Pokerrunde. Mir hängt das ewige Skatspielen zum Hals raus.“ Laut fing er röchelnd an zu lachen, die beiden anderen stimmten mit ein. Erschrocken und panisch vor Angst wollte ich aufspringen und zur Tür rausrennen. Aber es war, als klebte ich am Stuhl fest, ich konnte mich nicht bewegen. Ich sah, wie die Tür sich langsam schloss. Flehend sah ich ´Lady Janet` an, öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus. „Wo du doch meinen Stuhl so schön fandst, darfst du diesen hier für immer behalten!“ flüsterte ´Lady Janet` mit einem Lächeln auf den Lippen.