Jurybegründung und Projektvorstellung

Die Stipendiatin

Das Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern, das 2014 erstmalig vergeben wurde, erhält Doktor Anke Laufer für ihr Projekt "Nachtseiten".

Die Begründung der Jury:

Das Projekt Nachtseiten vereinigt in einem Band zwölf Kriminalerzählungen, die sich um unheimliche Todesfälle und in vielerlei Hinsicht dunkle Schauplätze drehen. Schlaglichtartig eröffnen sich dem Leser Einblicke in die Nachtseiten unserer Welt. Das klare Konzept des Exposés wird durch die Erzählungen eingelöst. Jede von ihnen ist einem gewichtigen Thema gewidmet und in einem überzeugenden und stimmigen Plot umgesetzt. Die Autorin schildert die Verbrechen eher beiläufig, doch gerade die unaufgeregte Erzählweise erzeugt ihre ganz eigene Spannung und Unheimlichkeit. Jede Story endet in einer Andeutung oder Enthüllung, die die Lesenden die Luft anhalten lässt.
Die ausgereifte Sprache und Symbolik der Texte orientiert sich an Edgar Allan Poe und Oscar Wilde und baut eine ähnlich dunkle Romantik der Atmosphäre auf. Kein Wort ist zu viel, und die sprachliche Leichtigkeit bildet einen Gegensatz zum Inhalt, der die Schwere der erzählten Verbrechen verstärkt. Mit jedem Satz lustwandelt der Text näher an die Extreme menschlicher Existenz heran, bis der letzte Absatz oder Satz schlagartig Gänsehaut hervorruft.
Auch die Figurenpsychologie orientiert sich an der klassischen Schauerromantik, doch gleichzeitig bleibt das Weibliche im Erzählen spürbar.
Auf das Erzähltempo muss man sich einlassen, genau und genüsslich lesen. Die eingereichte Leseprobe ist eine Vorschau des Vergnügens, alle von der Autorin im Exposé skizzierten Geschichten entdecken zu können.

Deshalb erachtet die Jury „Nachtseiten“ als unbedingt förderungswürdig.

Zur Person:  
Anke Laufer, geboren 1965, stammt aus Baden-Württemberg. Sie studierte Ethnologie, forschte mehrere Jahre in Peru und promovierte magna cum laude. Daneben arbeitete sie auch freiberuflich für mehrere Verlage in unterschiedlichen Funktionen. Seit 2006 veröffentlicht sie eigene literarische Texte, für die sie bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. 2012 erschien von ihr der Storyband „Die Irritation“.

Die Stipendiatin: Dr. Anke Laufer

“Where there is no imagination there is no horror.”  

(wo es keine Vorstellungskraft gibt, gibt es keinen Horror) sagte einst Arthur Conan Doyle. Besonders Short Stories leben nicht nur vom Erzählten, sondern von dem, was im Ungewissen bleibt: Durch die vom Schreibenden bewusst gesetzten Auslassungen, die der Leser mit ganz eigenen Bildern und zuweilen seinen schlimmsten Ängsten füllt. Sie sind daher viel besser als der in allen Details auserzählte Roman dazu geeignet, das Rätselhafte, Unheimliche und sogar das vermeintlich Unaussprechliche lebendig werden zu lassen.   

Dass die “Mörderischen Schwestern” den besonderen Wert der kurzen Form für ihr Genre honorieren, hat mir jetzt bewiesen, dass nicht nur ich so denke – und tröstet mich für eine Weile darüber hinweg, dass die Tradition der klassischen Short Story und kurzen Erzählung, die im anglo- und lateinamerikanischen Raum eine so große Bedeutung hat (nicht nur für das Krimigenre) im deutschsprachigen Literaturbetrieb eine so untergeordnete Rolle spielt. Ich war immer eine  leidenschaftliche Leserin der Geschichten von Patricia Highsmith und Julio Cortázar (um nur zwei für mich wichtige Autoren zu nennen) und fühlte mich in der kurzen Form sofort zu Hause, als ich (recht spät) mit dem eigenen Schreiben begann. Ich wollte Schlaglichter auf die Welt meiner Figuren richten. Ich wollte beunruhigende Texte schreiben. 

Der Markt da draußen richtet sich nur selten nach dieser persönlichen Anschauung. Doch manchmal gibt es auch Lichtblicke: Es macht mich besonders stolz und glücklich, dass mein Erzählungsband mit dem Arbeitstitel “Nachtseiten” jetzt die besondere Anerkennung des weitgespannten Netzwerks aus Krimiautorinnen, Fachfrauen und Leserinnen erhält – in Form des erstmalig vergebenen Arbeitsstipendiums der Mörderischen Schwestern. Ich bedanke mich besonders bei der Jury, deren Begründung mich darin bestärkt, weiterhin unbeirrt und stur wie ein Esel den schmalen Pfad entlang zu trotten, wo ich die echten und interessanten Geschichten zu finden glaube. Danke euch allen! 

Warum das Stipendium für Frauen so bedeutend ist ...

Auf der Vollversammlung der Mörderischen Schwestern 2014 in Unna las Dr. Anke Laufer im Rahmen eines kleinen Festaktes aus ihrem Gewinnertext.

Der Text konnte - wie zuvor schon die Jury - auch die anwesenden Schwestern voll und ganz überzeugen. Die Dichte und Präzision der Sprache waren herausragend, schon nach wenigen Sätzen war die Atmosphäre des Textes spürbar.

Dr. Anke Laufer erhielt eine Urkunde und einen Blumenstrauß und bedankte sich in einer kurzen, aber eindrücklichen Rede bei den Mörderischen Schwestern für das ihr verliehene Stipendium. Besonders stellte sie die große Bedeutung dieses Stipendiums für Frauen heraus: Die meisten Stipendien unterliegen Altersbeschränkungen, die einen Großteil der Frauen von vorneherein ausschließen. Gerade Frauen aber beginnen oft erst später im Leben mit dem Schreiben. Darüberhinaus sind eine große Anzahl von Stipendien an Aufenthalte in diversen Städten gebunden, sogenannte Aufenthaltsstipendien, die für Frauen mit Familie zumeist eine nicht überbrückbare Hürde darstellen. Das Stipendium der Mörderischen Schwestern sei daher eine große Chance für Frauen, die allein aufgrund ihres Alters oder familiären Verpflichtungen von einem Großteil der sonstig ausgeschriebenen Stipendium ausgeschlossen sind.