07/2005: „Mehr Frauen ins Krimigenre!“

„Mehr Frauen ins Krimigenre!“

Die Österreicherin Beatrix Kramlovsky ist neue Präsidentin des Autorinnen-Netzwerks Sisters in Crime - German Chapter

Die deutschsprachigen Sisters in Crime haben eine neue Präsidentin: Beatrix Kramlovsky aus Wien löst zur Jahresmitte ihre Autorenkollegin Susanne Mischke an der Spitze des Netzwerkes von Krimiautorinnen, Verlagsfrauen und Krimiförderinnen ab. „Die Sisters in Crime haben im deutschsprachigen Krimi noch nicht den Stellenwert, den ich mir wünsche“, umreißt Beatrix Kramlovsky ihre Zielvorstellungen für das Amt. „Sie sind nur frauenfreundlichen Insidern bekannt, was weder dem Genre, dem Literaturbetrieb, der Verlagsszene noch natürlich den Autorinnen gut tut. Die Sisters sollen ein Anlaufhafen für alle werden, die sich für das fiktive Verbrechen interessieren.“

Dazu hat ihre Vorgängerin Susanne Mischke bereits die Grundlagen gelegt. „Ich hatte dieses Amt vor vier Jahren ziemlich spontan übernommen“, sagt die scheidende Präsidentin, deren mehrfach preisgekrönte Kriminalromane im Piper-Verlag erscheinen. „Mein Ziel war es, mehr Aufmerksamkeit auf die Anliegen der Sisters in Crime und den Frauenkrimi zu lenken.“ Lesungen, Moderationen und die Präsentation des Netzwerks Crime auf der Frankfurter Buchmesse gehen auf Mischkes Konto – wie auch die Professionalisierung des Internetauftritts. „Doch ohne die großartige Arbeit vieler wäre dies nicht möglich gewesen“, betont die Wahl-Hannoveranerin, die den Sisters in Crime auch in Zukunft treu bleiben will. Denn: „Ein Netzwerk, in dem Frauen Frauen unterstützen, ohne sofort zu fragen, was sie dafür bekommen, ist rar in der Literatur- und Verlagsszene.“

Tatsache ist, dass Autorinnen trotz einzelner Ausnahmen nicht so oft rezensiert werden wie ihre männlichen Kollegen. So empfiehlt die KrimiWelt-Bestenliste von Welt und Arte TV im Juli von acht Titeln nur einen Kriminalroman von einer Frau; in den Vormonaten sah das ähnlich aus. Auch Literaturpreise gehen überdurchschnittlich oft an Männer: Den deutschen Krimipreis erhielten seit 1985 zwölf Autorinnen und 48 Autoren, und nur vier der bislang 19 Glauser-Preisträger sind weiblich. „Autorinnen sind im deutschsprachigen Raum in jeder Hinsicht unterrepräsentiert“, konstatiert Beatrix Kramlovsky. Auch in der Berichterstattung der Massenmedien seien sie noch weit von der Fünfzigprozentmarke entfernt.

Die neue Präsidentin der Mörderischen Schwestern weiß, wovon sie spricht: Die 1954 in Oberösterreich geborene Autorin und Bildende Künstlerin ist seit langem im Kulturbetrieb tätig. In Wien studierte sie Sprachen, lebte von 1987 bis 1991 als Ausländerin in der DDR, dann als Auslandsösterreicherin in Deutschland und danach als überzeugte Europäerin wieder in Wien. Bislang veröffentlichte sie Kurzgeschichten, Erzählungen, Dramen sowie drei Romane (u.a. Auslese 2002) und engagiert sich bei verschiedensten kulturellen Events.

Das internationale Netzwerk Sisters in Crime wurde 1987 von der amerikanischen Bestsellerautorin Sara Paretsky zusammen mit Charlotte MacLeod und anderen Autorinnen gegründet, um der Diskriminierung von Frauen im Krimigenre entgegenzuwirken. Weltweit gehören dem Verband mehr als 3100 Frauen an, organisiert sind sie in mehr als fünfzig Untergruppen (Chapters). Zur 1996 ins Leben gerufenen deutschsprachigen Gruppe, in der auch österreichische und Schweizer Krimifrauen Mitglied sind, zählen über zweihundert Sisters, darunter so renommierte Krimiautorinnen wie Ingrid Noll, Sabine Deitmer, Anne Chaplet und Susanne Mischke. Aber auch Newcomerinnen und Frauen, die nicht selbst schreiben, Krimis von Frauen jedoch aktiv fördern möchten, sind gleichberechtigt mit dabei.

Das zehnjährige Bestehen ihres German Chapters werden die „mörderischen Schwestern“ im März 2006 mit einem Frauenkrimifestival in Köln feiern. Bei Lesungen und Aktionen rund um Frauenkrimis von und mit den Krimifrauen wird sich jeder ein Bild davon machen können, wie vielfältig und lebendig die Szene ist.