Weltfrauentag am 8. März
von Susanne Rüster
„Der Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann.“
(Clara Zetkin in der Zeitschrift ‚Gleichheit‘, 1911).
Eine kräftige Rose stand auf meinem Schreibtisch als ich am 8. März in mein Büro kam. Es war mein erstes Jahr in Potsdam nach langer West-Berliner Zeit. Die aus dem Brandenburgischen stammende Kollegin sagte ‚Weltfrauentag‘ und warf mir Ignorantin einen erstaunten Blick zu. Ein Zimmer weiter lag die Rose achtlos herum. ‚Irgend so ein Ost-Relikt‘, sagte die in Westdeutschland sozialisierte Kollegin.
Grund genug, mich mit der Bedeutung des Weltfrauentages auseinanderzusetzen.
Die Vereinten Nationen (UN) widmeten 1975 den 8. März zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“.
Seitdem gibt es den Internationalen Frauentag mit einem jährlichen Schwerpunkt-Thema, etwa höhere Bildung für Mädchen, mehr Beteiligung von Frauen in der Politik, Strafe für Gewalt gegen Frauen. Der Frauentag ist gesetzlicher Feiertag in zahlreichen Ländern, u.a. Angola, Kasachstan, Kambodscha, Madagaskar, Nordkorea, Russland, aber in keinem der sog. Industriestaaten. In Deutschland hat es der Weltfrauentag seit 2019 lediglich in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern vom Aktionstag zum gesetzlichen Feiertag geschafft.
„Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“
Bühne frei für Clara Zetkin (*1857; † 1933) und Käte Duncker (*1871; † 1953), Sozialdemokratinnen und spätere Kommunistinnen, die sich vehement für die Gleichberechtigung eingesetzt haben. Im März 1911 feierten Tausende Frauen erstmals den Internationalen Frauentag und forderten die Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht, das im Jahr 1919 eingeführt wurde. Später rückten andere Forderungen in den Mittelpunkt: Arbeitsschutz, Anspruch auf Bildung, Schutz für Mütter und Kinder, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, legaler Schwangerschaftsabbruch.
In Zeiten des Nationalsozialismus‘ wurde anstelle des Internationalen Frauentags der Muttertag als offizieller Feiertag eingeführt. Als Untergrundbewegung bestand der Frauentag jedoch weiter.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz)
Auch nach 1945 war der Weg zur verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung noch weit. Die wenigen Frauen im Parlamentarischen Rat, u.a. Dr. Elisabeth Selbert, Juristin, Politikerin, „Mutter des Grundgesetzes“, setzte durch, dass diese fünf entscheidenden Wörter 1949 in die Verfassung gelangten. Aber erst das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 hob das Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in allen Eheangelegenheiten auf.
DDR versus Bundesrepublik Deutschland
Zumindest formalrechtlich war die frühere DDR weiter. Der Internationale Frauentag wurde dort 1948 wieder eingeführt und bereits seit 1946 galt für Frauen gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Der Gleichberechtigungsgrundsatz stand seit 1949 in der Verfassung, ein Familiengesetzbuch folgte 1965, das die Kategorie „uneheliche Geburt“ abschaffte (der Westen verbesserte erst 1970 die Stellung des nichtehelichen Kindes), den Namen des Mannes oder der Frau als Familienname zuließ (im Westen erst 1977) sowie die freie Entscheidung eines Ehegatten, den Beitrag zur Familie durch Arbeit im Haushalt und der Betreuung der Kinder zu leisten.
Gründe für die staatlich geförderte Frauenarbeit in der DDR waren der Wiederaufbau und die Stärkung der Wirtschaft, da Männer erst kriegsbedingt, später wegen Dienst in der Grenzsicherung fehlten. Trotz formaler Gleichstellung wurden Führungspositionen aber in der Regel von Männern besetzt, im Politbüro der SED gab es keine einzige Frau. Die Staatsführung verlieh jährlich die Clara-Zetkin-Medaille zur Würdigung von Initiative und Fleiß der Frauen, allerdings hatten die Feierlichkeiten zum 8. März sozialistisch-ideologischen Charakter. Die DDR-Frauen waren daher trotz verbriefter Gleichberechtigung oft allein mit Berufstätigkeit und Familie. Im Verborgenen begehrten etliche auf und zeigten Solidarität zu Frauen auf der ganzen Welt.
Der Westen: Das ist doch so ein Ost-Feiertag
Im Westen ging trotz sozialdemokratisch veranstalteter Frauentage die ursprüngliche Bedeutung des Weltfrauentages fast verloren. In den Vordergrund rückten die Themen Frieden und Kampf gegen die Wiederbewaffnung, getragen von Mitgliedern der SPD, der KPD , von Teilen der bürgerlichen Parteien und parteilosen Christ*innen und Pazifist*innen.
Das Private ist politisch
Mit dieser Forderung rückte in den Siebzigern die „Zweite Frauenbewegung“ neue Themen wie Gewalt in der Ehe, Rechte von Ausländerinnen, Diskriminierung nicht-heterosexueller Lebensweisen ins Bewusstsein. Zögerlich wurden Frauenrechte gestärkt, 1972 durch die Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen, 1977 durch die Reform des Ehe- und Familienrechts mit freier Wahl des gemeinsamen Familiennamens, der Aufgabe des Schuldprinzips bei der Scheidung, der Einführung des Versorgungsausgleichs. 1980 wurde gesetzlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz eingeführt. 1987 wurden die ersten Frauenbeauftragten bestellt. Der FrauenStreikTag wurde verkündet und es gab zum 8. März Veranstaltungen zum Thema Frauenförderung.
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz)
Der seit 1949 bestehende Gleichheitsgrundsatz wurde 1994 um den Satz 2 ergänzt. Zum Diskriminierungsverbot ergingen - auch durch den Einsatz der „Dritten Frauenbewegung“ Anfang der 2000er Jahre - Gesetze zum Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts im Arbeitsleben, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, befeuert seit 2017 durch die „Me-Too-Debatte“.
Frauen in der Wirtschaft
In Sachen Gleichberechtigung hat sich in Deutschland in den letzten hundert Jahren viel getan. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Frauenanteil in Spitzenpositionen der Wirtschaft und im Parlament bei ungefähr 33% liegt.
Von Frauen verfasste Kriminalliteratur
Hier verweise ich auf die verbandsübergreifende Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock aus dem Jahr 2018 #Frauenzählen - Zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb.
Auf jedes besprochene Werk einer Autorin kommen zwei Werke eines Autors. Männer sind damit doppelt so häufig vertreten. Diese Verteilung ergibt sich in allen Mediengattungen (TV, Radio, Print). In Wochenzeitschriften werden Autoren noch etwas stärker präsentiert (70 %); allein bei Frauenzeitschriften kehren sich die Verhältnisse um: 64 % der rezensierten Werke sind von Autorinnen verfasst."
Und ein Hinweis auf das taz-Interview mit Else Laudan, Verlegerin feministischer Krimis: „Eine gerechtere Welt ist möglich“.